“Vegan for Kids” – Interview mit der Autorin Bianka Nagorny
Bianka Nagorny ist die Verfasserin des Buches "Vegan for Kids". Im Interview beantwortete sie unsere Fragen.
Du hast das Buch „Vegan for Kids – Gesunde Kinderernährung von Anfang an“ geschrieben. Wie kam es zu diesem Buch?
Die Idee zu diesem Buch entstand bereits vor zehn Jahren. Sie entwickelte sich aus unserem veganen Alltag heraus undwar die konsequente Umsetzung dessen, wofür ich brannte und was mein Leben bereicherte. Mein heutiges Wissen über vegane Kinderernährung war ein Prozess von vielen Jahren, Erfahrungswerten und Entwicklungen, die ich zusammenfassend an meine Mitwelt weitergeben wollte. Und natürlich war mir wichtig, die Botschaft veröffentlichen zu wollen, dass vegane Kinderernährung funktioniert, wenn wir die ernährungsrelevanten Basics beachten und umsetzen.
Kannst du etwas über dein Kind und seine vegane Ernährung erzählen? Ist dein Kind gesund? Gab es Probleme oder Herausforderungen?
Die Erfahrungen, die ich als vegan lebende Mutter gemacht habe, verlangten – je älter unser Sohn wurde – eine gewisse „Kompromiss-Flexibilität“ von mir, weil ich erkennen musste, dass ein veganes Leben innerhalb einer nicht veganen Gesellschaft ein Weg der kleinen Schritte ist. Ein Kind zu 100% vegan zu ernähren ist aus gesundheitlicher Sicht uneingeschränkt möglich, aber spätestens auf den ersten Kindergeburtstagen, Kindergarten- oder Klassenfesten wurde mir bewusst, dass die Akzeptanz nicht veganer Phasen ein Kompromiss war, den ich akzeptieren konnte, um Ausgrenzung zu vermeiden. Ansonstenist unser Sohn ein sehr gesundes Kind und tatsächlich selten einmal krank. Eine vollwertige Ernährung ist dabei nur ein Aspekt: Es ist auch wichtig, Kindern viel Bewegung und Naturerlebnisse zu ermöglichen – diese Kombination ist eine ganz wichtige Basis für eine gesunde Entwicklung. Insofern leben vegane Kinder ein normales, glückliches Leben – auch außerhalb ihres veganen Radius, der ebenfalls Teil ihres Lebens ist.
Erlebst du die vegane Ernährung deines Kindes als entspannt oder doch als eher stressig? Wie sind die Reaktionen des sozialen Umfeldes?
Es gab schon Momente, in denen ich es als stressig empfand, mich für unsere vegane Lebensweise rechtfertigen zu müssen und in denen ich gefordert war, den Mythos der einseitigen Ernährung permanent widerlegen zu müssen. Insbesondere den Großeltern fiel es schwer, zu verstehen, dass Kinder auch ohne Schokolade und Pizza glücklich sein können und manchmal unterlag ich auch mit meinen Argumenten – des Friedens willen. Vielleicht liegt in dieser Haltung aber auch der Erfolg der heutigen veganen Lebensweise begründet, weil sie allen Widerständen zum Trotz mit all ihren Vorteilen überzeugen konnte.
Wie kann dein Buch Eltern helfen, sich über die Ernährung ihrer Kinder Gedanken zu machen und sich möglicherweise für eine vegane Ernährung zu entscheiden?
Ich glaube, dass es hinsichtlich veganer Ernährung von Kindern viele Unsicherheiten gibt, weil ein umfassendes Ernährungswissen dafür wichtig ist. Mir ist dieses Wissen zugefallen, weil ich mich sehr intensiv damit auseinandergesetzt habe, aber mir ist auch bewusst, dass diese Leidenschaft nicht alle Eltern teilen. Somit wollte ich eine Zusammenfassung an Ernährungswissen weitergeben und Beispiele dafür aufzeigen, wie vegane Kinderernährung aussehen kann. Ich würde dieses Buch auch Eltern empfehlen, die ihre Kinder (noch) nicht vegan ernähren, weil es schöne Rezeptideen und Ernährungstipps enthält. Die Rezepte sind einfach umzusetzen und sollen inspirieren, vegane Ernährung kreativ und instinktiv zu leben.
Was glaubst du sind die Gründe, warum Eltern über eine vegane Ernährung ihrer Kinder nachdenken sollten?
Meistens leben die Eltern bereits vegan, ehe sie eine vegane Ernährung für ihr Kind in Betracht ziehen. Erfahrungsgemäß stehen die ethischen Gründe hierbei an erster Stelle, weil die heutige Form der industriellen Tierhaltung aus vielen Gründen so nicht fortgesetzt werden kann. Während am Anfang der Tierschutzgedanke eine große Motivation zur veganen Ernährung darstellt, spielen parallel auch die Aspekte Umwelt, Klima und Gesundheit eine wichtige Rolle. Wenn wir die vegane Ernährung der mischköstlichen Ernährung gegenüberstellen, wird ganz schnell deutlich, dass die Vorzüge der rein pflanzlichen Kost nicht zu schlagen sind. Es gibt kein einziges stichhaltiges Argument gegen die vegane Lebensweise, weshalb immer mehr Eltern genau diesen Weg auch mit ihren Kindern gehe möchten.
Was sollten Eltern tun, wenn sie überlegen, ihre Kinder vegan zu ernähren? Worauf sollten sie achten? Wo können Sie Hilfe und Unterstützung erhalten?
Mir selbst haben Gespräche mit einer Ökotrophologin geholfen, Sicherheit bei der veganen Ernährung unseres Kindes zu erlangen. Auch das Buch von Dr. Michael Klapper „Viva Vegan für Mutter und Kind“ und vegane Fachliteratur haben mich auf diesem Weg bestätigt. Ich kann diese Unsicherheit aufgrund von Informationsmangel gut verstehen, weil es mir ähnlich ging. In meinem Kopf war fest verankert, dass Fleisch für die Eisenzufuhr und Milch für die Kalziumzufuhr unentbehrlich sind. Dass es viel günstigere Alternativen gibt, erkannte ich erst durch die Auseinandersetzung mit Literatur, die die gesundheitlichen Vorteile einer rein pflanzlichen Ernährung nachvollziehbar und wissenschaftlich darlegen konnte. In meinem Buch führe ich sowohl Buchtipps wie auch Internetadressen für weitere Informationen auf.
Glaubst du, dass Kinder mit einer veganen Ernährung glücklich sind, oder fühlen sie sich eingeschränkt und als Außenseiter?
Es kommt darauf an, wie man selbst die vegane Ernährung lebt. Lebt man sie dogmatisch und mit dem erhobenen Zeigefinger, können anders lebende Menschen abgewandt darauf reagieren. Lebt man die vegane Ernährung selbstverständlich und positiv, dann wird sie auch das Interesse von anderen Menschen – insbesondere Kindern – erreichen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die vegane Ernährung an sich keine Außenseiterrolle im negativen Sinne bewirkt, sondern je positiver von der Außenwelt aufgenommen wird, desto natürlicher sie gelebt wird. Natürlich habe ich immer wieder auch Situationen erlebt, in denen mein veganer Enthusiasmus kritischen (uninformierten) Blicken unterzogen wurde, aber es gelang mir recht schnell, den Mythos der veganen „Mangelernährung“ restlos beseitigen zu können, weil es alle Fakten für sich sprachen und weiterhin sprechen werden.
"Vegane Ernährung von Kindern ist eine Art von Körperverletzung“ – was sagst du zu diesem Satz, den wir immer wieder hören?
Dieser Satz stammt von Menschen, die sich nicht mit veganer Ernährung beschäftigt haben bzw. beschäftigen möchten. Es scheint so zu sein, als sei die Nichtanerkennung der veganen Vorteile der letzte Versuch, das unaufhaltsame Fortschreiten dieser so zukunftsweisenden Ernährungsform mit allen Mitteln aufhalten zu wollen. Dafür gibt es mehrere Gründe, von denen jedoch keiner zutreffend ist. Tatsächlich finde ich es sehr gewagt, die vegane Ernährung dermaßen diskreditieren zu wollen – andererseits wird durch solch gewaltsame Vergleiche, die fernab jeder realistischen Bedeutung liegen, auch die Ohnmacht jener deutlich, anerkennen zu wollen, was ihrem Verständnis nach nicht anerkannt werden darf.
Manchmal wird argumentiert, Kinder könnten sich noch nicht frei für eine vegane Ernährung entscheiden und sollten daher nicht vegan ernährt werden. Die Eltern würden nämlich durch eine vegane Ernährung ihren Kinder Zwang auferlegen. Was hältst du von diesem Argument?
Veganismus und Gewalt schließen sich definitiv aus, während eine fleischbetonte Ernährung aus meiner Sicht sehr viel gewaltsamer ist. Würden Kinder von dem leidvollen Weg eines Tieres bis zum Fleisch auf ihrem Teller erfahren – sie wären nicht mehr in der Lage, diese tierischen „Produkte“ essen zu können. Deshalb werden so viele Kinder und Jugendliche ab dem Zeitpunkt vegetarisch oder vegan, wenn ihnen zum ersten Mal bewusst wird, dass das Fleisch auf ihrem Teller unter oftmals unvorstellbar tierquälerischen Bedingungen „hergestellt“ wurde. Im Wissen um diese offensichtlich ethische Schieflage handeln sie ab diesem Moment folgerichtig, spontan und konsequent. Insofern legen Eltern ihren Kindern keinen Zwang auf, wenn sie ihr Kind mit einer veganen Ernährung aufwachsen lassen, die hinsichtlich ihrer gesundheitlichen, ethischen und verantwortungsvollen Vorteile in jeder Beziehung sehr wertvoll ist. Ich wäre sehr gern vegan aufgewachsen, aber ich wurde nicht danach gefragt, weil auch meine Eltern es nicht besser wussten. Kindern wird grundsätzlich die Ernährungsweise auferlegt, von denen ihre Eltern glauben, dass sie so richtig ist. Wenn wir aber die Entscheidung haben, uns zwischen den heutigen Missständen in der industriellen „Tierproduktion“ und einer veganen Ernährung zu entscheiden und den Blick in die Mastställe und Schlachthäuser nicht länger scheuen: Wäre es nicht einfach und naheliegend, uns ohne Zwang für das Richtige zu entscheiden?
In deinem Buch sind viele Rezepte veröffentlicht, die du in die Kategorien „Frühstücksideen“, „Hauptgerichte“, „Salate“, Süße Sachen“ und „Desserts“ eingeordnet hast. Gibt es in dieser Rezepteauswahl etwas „kinderspezifisches“ oder sind sie für Erwachsene genauso gut geeignet?
Ich finde, dass all meine Rezepte familiengeeignet sind, manche sind insbesondere für Kinder sehr interessant (das Gummibärcheneis beispielsweise). Ein Schwerpunkt meiner Rezepte sind u.a. auch Kuchenrezepte und süße Snacks, weil süße Sachen ein Dauerbrenner bei Kindern sind. Für mich war es wichtig, auch süße Gerichte gesund zu gestalten und ich glaube, dass mir das ganz gut gelungen ist.
Wir lesen du bist kinderpädagogisch tätig und befasst dich auch mit Kinderyoga. Kannst du etwas über deine Arbeit mit Kinder erzählen und inwiefern in dieser Arbeit deine vegane Lebensweise mit hineinfließt? Bist du angestellt oder selbstständig tätig?
Ich arbeite seit vielen Jahren im pädagogischen Bereich und habe nach meiner Yogalehrerausbildung damit begonnen, mich auch im Bereich Kinderyoga zu spezialisieren. Das Schöne an der Arbeit mit Kindern ist, dass ich die Freude und Begeisterung bei den Kindern so unmittelbar erfahre und genau diese Eigenschaften so bereichernd für mich selbst sind. Da ich nicht in einer veganen Einrichtung arbeite, kann ich lediglich vegane Inspirationen in ein beispielsweise selbstständig gestaltetes Frühstück einfließen lassen. Dabei bilden z.B. Obst und Gemüsespieße mit Studentenfutter und Cräckern ein beliebtes Essen bei den Kindern und ich bin immer total glücklich, wenn ich sehe, mit wie viel Begeisterung kleine Kinder gesunde Ernährung genießen können.
Können sich Leser mit Fragen an dich wenden?
Ja, gern und jederzeit. Ein Blog zu diesem Thema steht auf meiner to-do-Liste. In der Zwischenzeit ist jeder Kontakt über den Verlag (www.phänomen-verlag.de) möglich und ausdrücklich von mir gewünscht!
Wo ist dein Buch erhältlich, wie teuer ist es und wie lange ist typischerweise die Lieferzeit?
Mein Buch ist über den Buchhandel erhältlich und kostet 19,90 Euro. Die Lieferzeit beträgt entsprechend nur wenige Tage.
Was sind deine weiteren Pläne?
Im Augenblick gibt es wenig konkrete Pläne. Ich engagiere mich in vielen Projekten, u.a. auch im aktiven Tierschutz. Ich bin ein sehr politischer Mensch, der jeden Tag versucht, die Welt zu einem möglichst schönen und erhaltenswerten Ort für Mensch und Tier zu gestalten. Das nimmt einen Großteil meiner Zeit in Anspruch, aber das macht mir nichts aus – es liegt in meinen Genen 😉