DGE-Update: Bessere Zeiten für vegane Familien?

DGE-Update: Bessere Zeiten für vegane Familien?

In diesem Artikel gehe ich der Situation veganer Familien in Kindertagesstätten und Schulen nach. Ich sprach mit mehreren Betroffenen und Protagonst:innen, analysierte Stellungnahmen von Vernetzungsstellen, die für die Ernährung in Kintertagesstätten und Schulen zuständig sind, und stellte Fragen an die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Das Resümee ist, dass es vegane Familien in der Gesellschaft schwer haben und dass sich daran solange nichts ändern wird, bis die DGE zu einer positiveren Bewertung der veganen Kinderernährung analog zu den Stellungnahmen ihrer US-amerikanischen Schwesterorganisation gelangen wird. Aktuell gibt es dabei aufgrund einer anstehenden Revision der DGE-Empfehlungen einen Hoffnungsschimmer, dass vegane Familien künftig aufatmen können.

Hintergrund

Der Klimawandel manifestiert sich mit immer drastischeren Auswirkungen. Eine erschreckende Flutkatastrophe traf die libysche Stadt Derna und begrub mehr als 10.000 Menschen unter sich. Wissenschaftlichen Berechnungen zufolge wurde diese Katastrophe durch den Klimawandel um das 50-fache wahrscheinlicher.

Gleichzeitig mehren sich die Belege dafür, dass eine vegane Ernährung klimaschonend ist.

Doch paradoxerweise stehen vegane Familien in Kindertagesstätten und Schulen oft massiver Diskriminierung gegenüber.

Die Einrichtungen berufen sich auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und verweigern oftmals veganen Kindern die vegane Verpflegung.

Mitunter wird sogar das Mitbringen veganer Mahlzeiten untersagt. Für einige Eltern wird so die Suche nach einem Kindergartenplatz zur Odyssee, während andere aus Angst und seelischer Belastung zähneknirschend auf eine nicht-vegane Ernährung für ihre Kinder zurückgreifen. Dadurch werden sie jedoch gezwungen, gegen ihre eigenen Überzeugungen zu verstoßen, was bei einigen negative psychische Folgewirkungen hinterlässt und bis hin zu Überlegungen führt, Deutschland zu verlassen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Empfehlungen der DGE dabei keineswegs universell akzeptiert sind. Die weltweit größte ernährungswissenschaftliche Vereinigung, die US-amerikanische Academy of Dietetics and Nutrition, unterstützt aktiv die vegane Kinderernährung und bietet Unterstützung für vegane Eltern an. Is Deutsche überseztes Zitat aus den Schlussfolgerungen der Academy of Dietetics and Nutrition:

  • Die Academy of Nutrition and Dietetics vertritt den Standpunkt, dass eine angemessen geplante vegetarische, einschließlich vegane, Ernährung gesund und ernährungsphysiologisch angemessen ist und gesundheitliche Vorteile bei der Vorbeugung und Behandlung bestimmter Krankheiten bieten kann. Diese Ernährungsformen sind für alle Phasen des Lebenszyklus geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglingsalter, Kindheit, Jugend, älteres Erwachsenenalter und für Sportler.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Diskriminierung und Mikroaggressionen die körperliche und psychische Gesundheit der Betroffenen beeinträchtigen können. Dabei korrelieren Vorbehalte gegen Veganer:innen nach Studien eng mit politisch rechts gerichteter Ideologie und rassistischen Stereotypen.

Die DGE ist derzeit dabei, ihre Empfehlungen zu überarbeiten. Hierzu hat sie eine Kommission eingesetzt. Bereits jetzt wird deutlich, dass die Ergebnisse dieser Überarbeitung einen erheblichen Einfluss darauf haben werden, wie sich die Situation für vegane Familien in Deutschland in Zukunft gestalten wird. Die Frage, die sich stellt, ist, ob dies positive Veränderungen für vegane Eltern und Kinder bringen wird oder ob Ausgrenzung und das Leiden von veganen Familien anhalten werden. Auch diesem Thema gehe ich in meinem Artikel nach.

Als langjähriger Veganer kann ich aus eigener Erfahrung mit vielen veganen Gesprächspartner:innen sagen, dass vegane Eltern und Familien oft auf Ablehnung stoßen. Ärzte, Kindergärten, Schulen, Nachbarn und sogar Familienmitglieder stehen häufig ablehnend gegenüber dieser Lebensweise. Dies hinterlässt auch bei der Mehrheit der widerstandsfähigen Eltern seelische Spuren.

Diese Situation hat mich dazu motiviert, eine Online-Befragung unter 913 veganen Eltern minderjähriger Kinder mit folgenden Ergebnissen durchzuführen

  •  90,2 % der Befragten hatten bereits Diskriminierung in ihrem sozialen Umfeld erlebt, wobei 35,2 % über Diskriminierung in Kindergärten oder Kinderhorten und 17,8 % in Schulen berichteten.
  • 41,6 % derjenigen, die Diskriminierung erfahren haben, gaben an, mindestens mittelschwere psychische Belastungen zu erleben. 13,8 % berichteten von einer hohen psychischen Belastung aufgrund der Diskriminierung.
  • 9,1 % und damit fast jede zehnte Person gab an, darüber nachzudenken, das Land zu verlassen.

Doch wer trägt die Verantwortung für diese Situation?

  • 56,5 % der Befragten gaben an, dass sich ihr soziales Umfeld auf Ernährungsempfehlungen, wie die der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) berufe.
  • 52,7 % fühlen sich von den Stellungnahmen der DGE ausgeschlossen, während 96,4 % sich Unterstützung von der DGE bei einer gesunden veganen Ernährung ihrer Kinder wünschen, anstatt Ablehnung zu erfahren.

Ich war neugierig darauf, mehr über die Erfahrungen von veganen Eltern im Alltag von Kindergarten und Schule zu erfahren.

Daher habe ich mich mit einigen betroffenen Personen in Verbindung gesetzt und sie per E-Mail um ihre Einsichten gebeten. Eine der Protagonist:innen, Svenja Hartmann, hat mir Einblick in die Antworten verschiedener Vernetzungsstellen gewährt, die für die Ernährung in Kindergärten und Schulen verantwortlich sind und von ihr kontaktiert wurden. Außerdem habe ich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) direkt kontaktiert, um herauszufinden, ob sie sich der Herausforderungen bewusst ist, vor denen vegane Familien stehen, und wie sich ihre Empfehlungen künftig entwickeln könnten.

Mein Ziel war es, die Barrieren für eine vegane Verpflegung in Bildungseinrichtungen besser zu verstehen und herauszufinden, wer hier die Fäden zieht.

Die Realität veganer Familien

Bevor ich die Ergebnisse meiner Recherche präsentiere, möchte ich diejenigen zu Wort kommen lassen, die tagtäglich mit diesen Herausforderungen konfrontiert sind. In einem vorangegangenen Artikel auf vegan.eu  habe ich bereits detailliert über die quantitativen Ergebnisse meiner Umfrage unter veganen Eltern berichtet.

Diese Zahlen sind wichtig, aber jetzt möchte ich den Fokus auf die persönlichen Schilderungen der Betroffenen in ihren eigenen Worten legen. Die Schilderungen entstammen ebenfalls der Umfrage, in der die Teilnehmenden auch die Möglichkeit hatten, ihre Erfahrungen in ihren eigenen Worten zu berichten.

Geschichten der Betroffenen

Schwierigkeiten in Kindertagesstätten

  • Verweigerung eines Platzes: "Das Verweigern des Krippen/KiTa-Platzes", "Wir wurden in einem Waldorfkindergarten nicht angenommen.", "Ablehnung in der Kita. Wir haben immer noch keinen Platz und werden vermutlich auch keinen mit vegetarischer/veganer Option bekommen.", "Betreuungsplatz für den Jüngsten. Die Kitas sagen, dann suchen Sie sich eine andere Kita, kommen einem überhaupt nicht entgegen. Wir haben eine Tagesmutter, aber auch da das gleiche Problem."
  • Begrenzung der Aufenthaltsdauer: "Kind darf nicht Vollzeit im Kiga sein, dann muss sie warm essen, und das ist nicht vegan möglich.", "Die Kinderkrippe hat uns nur einen Betreuungsplatz bis 12 Uhr gegeben, da sie uns kein veganes Mittagessen anbieten konnten und ich meinen Kindern nichts mitgeben durfte. Dadurch hatte ich große Probleme, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen."
  • Ausschluss vom Essen: "Der Hort schloss mein Kind komplett vom Essen aus. Sie soll das essen, was alle essen oder gar nichts.' 'Unsere Kinder können nicht mit den anderen Kindern in der Kita Mittag essen, da es kein veganes Essen gibt, obwohl ich gesagt habe, dass die Kinder aus Allergiegründen keine tierischen Produkte essen können.'
  • Boykott/Gabe nicht-veganen Essens: "Meinem Kind wurde im KiGa vor mir Milch gegeben, gegen meinen Willen, weil das Kind Calcium für die Entwicklung brauchen würde.' 'In der vorherigen Kita wurde ich täglich von der Köchin wegen dem B12 angesprochen. Und sie haben meinem Kind Fisch untergeschmuggelt / ihm gesagt, dass der Lachs vegetarisch wäre. Er hat es später gemerkt und sehr darunter gelitten. Er hat aufgehört dort zu essen. Letztlich haben wir die Kita gewechselt (auch aus anderen Gründen).' 'Mein Kind musste aufgrund von Arbeitszeiten am Mittagessen im Kindergarten teilnehmen. Die Erzieherinnen wählten das Lieferessen aus (oft mit Fleisch) und wir durften unserer Tochter kein eigenes Essen mitgeben. Wir mussten sehr darum kämpfen, dass sie wenigstens die vegetarische Menüvariante bekommen konnte.' 'Meinem Kind wurde Ei aufgezwungen, obwohl ich dabei war und gesagt habe, dass das nicht gemacht werden soll. Mein Kind hat es wieder ausgespuckt, und ich wurde dafür verurteilt, da ich mein Kind verwöhnt hätte.'  'Ich habe meinem Kind in den Kindergarten sein eigenes veganes Essen mitgegeben und nach ein paar Wochen erfahren, dass es größtenteils von den Mitarbeitern weggeworfen wurde.'
  • Vorhaltungen und Kompromisslosigkeit: "Eine andere Kita, auf die wir uns beworben hatten, hatte vorgeschlagen, unser Kind jedes Mal von der Kita abzuholen, wenn Fleisch oder Fisch auf dem Menü stand, damit es zu Hause essen kann. Auf den Vorschlag, veganes Essen mitzugeben, ließen sie sich nicht ein. Diesen Kitaplatz haben wir dann abgelehnt.' '1,5 Jahre Kampf um Milchalternative in der Kita. Aussagen wie "aber es ist doch nur Geflügelwurst" oder "Unsere Erzieherinnen brauchen keine Schulung, sie sind Pädagogen und keine Köche" und die strikte Ablehnung aller Kompromisse und Umsetzungsmöglichkeiten.' 'Erzieherin in unserer ganz alten Kita hat extra eine Fortbildung besucht, um zu lernen, dass vegane Ernährung schlecht sei. Sie wollte dann ein Attest vom Arzt (hat sie bekommen). Wollte es uns ausreden, obwohl unser Kind unverträglich ist.' 'Wir haben noch nicht viele diskriminierende Situationen erlebt. Aber kein veganes Mittagessen anzubieten und uns nicht einmal zu erlauben, ihm sein eigenes Mittagessen in die Kita mitzubringen, ist eine große Diskriminierung für vegane Kinder. Sie sagen im Grunde: "Ihr esst anders, und deshalb akzeptieren wir nicht, dass ihr bei uns esst." Sie untergraben damit unsere ethische Lebensweise. Sie akzeptieren andere Ernährungsweisen aus religiösen Gründen, aber ethische Gründe scheinen nicht wichtig genug zu sein. Und das sollte im Jahr 2022 unantastbar sein. Essen mitgeben dürfen wir nicht."
  • Stressreiche Auseinandersetzungen: "Die Kita hat veganes Essen verweigert, Anwälte haben sich juristisch damit auseinandergesetzt, der Richter hat bei der Anhörung ausschließlich das Vertragsrecht berücksichtigt.' 'Gespräche in der Krippe mit Verweigerung der veganen Ernährung. Unsere Tochter durfte deshalb eine Zeit lang nicht mehr die Krippe besuchen; bis unser Anwalt das Recht erwirkte, eigenes veganes Essen mitzugeben.' 'Die Kita wollte meinen Sohn erst nicht aufnehmen. Haben dann versucht, mit mir zu verhandeln, dass er wenigstens vegetarisch isst in der Kita, und ich habe ihnen gesagt, dass das nicht in Frage kommt. Schlussendlich haben sie es akzeptiert, weil ich noch Unterstützung von der Kitaeigenen Köchin erhielt, die nun extra für meinen Sohn vegan kocht."

Schwierigkeiten in Schulen

In Schulen, im Gegensatz zu Kindergärten, besteht keine Gefahr mehr, dass Kindern der Schulplatz verweigert wird. Auch können Eltern in Schulen nicht mehr verboten werden, veganes Essen mitzugeben, wie es in Kindertagesstätten vorkommt. Dennoch berichten die Eltern auch in Schulen über erhebliche Erschwernisse, wobei das Hauptproblem in der Verweigerung eines veganen Schulessens besteht. Auch schildern Eltern Ablehnung und Boykott gegenüber der veganen Ernährung durch Lehrer:innen:

  • Kein veganes Schulessen: "In der Schule wird kein veganes Gericht angeboten, mein Sohn ist aber "gezwungen" am Schulessen teilzunehmen. Das macht mich traurig und wütend. Er ist ausgeschlossen und kann nie mit seinen Freunden essen.' 'Auch die Schule hat sich geweigert, veganes Essen für unseren Sohn anzubieten.' 'In der Schule gibt es nur vegetarische Alternativen.' 'Auf Grund der Empfehlung der DGE weigern sich z.B. viele Catering Unternehmen für Schule, Krankenhaus und Co. vegane Optionen anzubieten. Deswegen hatte mein Kind eine Zeit lang nur "zufällig" veganes Schul-Mittagessen gehabt, z.B. Nudeln pur. Was alles andere als eine ausgewogene Ernährung darstellt. So habe ich es schon oft von anderen Kindern und Jugendlichen gehört.' 'Außer, dass es in der Schule nichts zu essen für ihn gibt und ich jeden Tag selber für ihn kochen muss, ist alles fein.' 'Unser Schulcaterer stellt für mein Kind kein veganes Essen zur Verfügung. Angeblich darf er für Kinder kein veganes Essen anbieten, da er ansonsten gegen die Vorgaben der DGE verstoßen würde.' 'Es gab bisher in der Schule eine Option (von 3 Gerichten), die pflanzlich war. Diese wurde nun ersatzlos gestrichen, weil andere Eltern meinten, ihre Kinder hätten nicht genug Auswahl ("nur" 2 Gerichte, während es nur 1 veganes gab). Nun gibt es 3 Gerichte für die omnivoren Kinder und jeden Tag Nudeln für die Kinder, die sich pflanzlich ernähren. Jeden Tag Nudeln. Es gab schon tausende Diskussionen. Aber niemand denkt, dass man jetzt etwas ändern müsse, schließlich könnten unsere Kinder ja auch einfach Fleisch essen und sich nicht so anstellen.' 'Zur Einschulung wurde mir mitgeteilt, dass es kein veganes Essen gäbe, nachdem mir dieses vor den Ferien von anderer Person zugesagt wurde. Ich hatte meinen Sohn aber schon vor einem halben Jahr zur Ganztagsschule angemeldet. Ich könnte aber vegetarisch bestellen, was ich nicht wollte. Daraufhin wurde mir auch geraten, ein ärztliches Attest zu beschaffen."
  • Kritik und Boykott: "Die Mittagsbetreuerin von der Schule meines Kindes wurde sofort mir gegenüber laut, als ich fragte, ob es als Mittagessen auch vegane Optionen gibt. Sie meinte, ob mein Kind gezwungen wird und dass wir nicht alle Vitamine bekommen würden.' 'Lehrkräfte an der Schule meiner ältesten Tochter haben sie deshalb gemobbt, haben ihr immer wieder Käse angeboten.'

Konsequenzen für die Betroffenen

Die Umfrageergebnisse und die hier wiedergegebenen Erfahrungen von befragten Eltern verdeutlichen, wie sehr vegane Familien in Kindertagesstätten und Schulen vor besondere Herausforderungen gestellt werden.

Die Suche nach geeigneten Kindertagesstätten gestaltet sich für Veganer:innen schwierig. Sie müssen damit rechnen, dass ihren Kindern Tierprodukte zum Essen serviert werden. Das Mitbringen von veganem Essen wird nicht immer gestattet, und die vegane Ernährung kann Kritik von Seiten des Betreuungspersonals in den Kindertagesstätten hervorrufen.

In Schulen entspannt sich die Situation etwas, da hier zumindest das Mitbringen von veganem Essen nicht untersagt wird. Dennoch stehen vegane Kinder auch in Schulen vor Herausforderungen, da ihnen keine schulische Verpflegungsoption angeboten wird. Eltern müssen außerdem auch hier damit rechnen, auf Kritik und Vorbehalte zu stoßen.

Einige Eltern entscheiden sich aufgrund dieser Schwierigkeiten dafür, die vegetarische Ernährung ihrer Kinder zu akzeptieren. Allerdings kann dies mit einem erheblichen inneren Konflikt einhergehen:

  • 96,5 % der Eltern, deren Kinder ebenfalls vegan leben, gaben in der Umfrage an, dass sie sich aus ethischen Gründen verpflichtet fühlen, ihre Kinder vegan zu ernähren.

Wie reagieren Menschen, die gezwungen sind oder sich gezwungen fühlen, gegen ihre ethischen Überzeugungen zu handeln?

Auch hier lieferte die Umfrage klare Ergebnisse:

  • 96,0 % der befragten Eltern gaben an, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie ihre Kinder nicht vegan ernähren würden.
  • 89,3 % äußerten die Überzeugung, ihre Kinder in diesem Fall in die falsche Richtung zu lenken.

Doch ist es fair, diesen inneren Konflikt den Eltern aufzubürden?

Strukturelle und institutionelle Ursachen der Diskriminierung

In der Umfrage gaben viele Teilnehmende an, dass sie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die erlittenen Diskriminierungserfahrungen verantwortlich machen.

Doch handelt es sich hierbei lediglich um die subjektive Meinung der Betroffenen oder lassen sich tatsächlich Belege für diese Behauptung finden?

Antworten ergeben sich aus den Recherchen von Svenja Hartmann (siehe Interview mit Svenja Hartmann), die sich selbst an die Vernetzungsstelle Brandenburg gewandt hat und mithilfe anderer Betroffener auch Antworten von anderen Vernetzungsstellen auswerten konnte.

Aus fünf Bundesländern gingen seitens der Vernetzungsstellen folgende Antworten ein, die über pauschale Äußerungen ohne Bezug zum Thema vegan hinausgingen. Aus den Antworten dieser fünf Vernetzungssstellen wird deutlich, dass zumindest für diese Vernetzungsstellen die Position der DGE tatsächlich ein oder sogar der entscheidende Grund ist, warum bisher keine veganen Essenspläne zur Verfügung gestellt werden:

  • Brandenburg: "Wir Vernetzungsstellen orientieren uns an den aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen der DGE – auch bezogen auf das Thema vegane Versorgung von Kindern. Wir setzen uns mit unserer täglichen Arbeit weiterhin dafür ein, dass eine pflanzenbetonte Verpflegung, orientiert an den aktuellen DGE-Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung, zunehmend in Kitas und Schulen umgesetzt wird. Die große Herausforderung für die brandenburgischen Kita-, Hort- und Grundschulträger bei der Umsetzung von veganen Essensangeboten besteht darin, den gesetzlichen Auftrag einer gemeinschaftlichen Versorgung mit individuellen Wünschen zusammenzubringen. Dies erfordert in jedem Fall Einzelfall-Lösungen sowie eine Einbettung in die jeweiligen Einrichtungskonzepte. Wir werden die Argumente - für und wider - einer veganen Kitaverpflegung weiter sammeln und individuelle Fallbeispiele für unsere weitere Beratung und für mögliche Einzelfall-Lösungen nutzen."
  • Hamburg: "Bisher wird eine vegane Ernährung für Kinder von der DGE aus ernährungswissenschaftlichen Gründen nicht empfohlen, da eine adäquate Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen nicht gewährleistet wird. Wir als Vernetzungsstelle folgen da der Auffassung der DGE und empfehlen daher keine vegane Verpflegung in Kitas und Schulen.”
  • Sachsen: "Unsere Aufgabe ist es, den Qualitätsstandard für Schulen und Kitas der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu verbreiten und für dessen Umsetzung zu sensibilisieren. Damit berücksichtigen wir eine vegetarische Ernährungsweise und geben, da wo es gewollt ist, auch Tipps für vegane Varianten. Zur Zeit sind die Empfehlungen nicht verbindlich, sodass jeder Speisenanbieter oder jede Einrichtung selbst über das Essensangebot entscheiden kann. ..."
  • Sachsen-Anhalt: "Die DGE geht in die Richtung der pflanzenbetonten Ernährungsweise, gerade bei Kindern wird jedoch eine vegane Ausgestaltung des Speiseplanes nicht empfohlen. Ihnen steht es natürlich zu, Ihr Kind zuhause so zu verpflegen, wie Sie das wünschen. Eine Bildungseinrichtung kann jedoch nicht auf die individuellen Wünsche und Vorstellungen eines jeden Einzelnen eingehen (daher auch als Gemeinschaftsverpflegung bezeichnet) – abgesehen von Allergien – und muss alle Kinder mitnehmen."
  • Baden-Württemberg: "Als Landeszentrum für Ernährung / Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Baden-Württemberg beraten wir auf Basis der Empfehlungen der DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas und Schulen. Diese berücksichtigen sowohl eine (fleischhaltige) Mischkost als auch eine vegetarische Ernährung.
    Für die Kitaverpflegung bedeutet dies, dass im Rahmen von fünf Verpflegungstagen pro Woche bei der Mischkost max. einmal Fleisch/Wurst im Rahmen des Mittagessens (mit einer Menge von 30 g pro Portion bei Kleinkindern und 35 g pro Portion bei Kindern über 3 Jahren) angeboten werden sollte. Im Rahmen des Frühstücks und der Zwischenverpflegung sollten diese Lebensmittel nicht angeboten werden. Mit anderen Worten: gemäß der DGE-Empfehlung sollten bereits mindestens 4 Mittagessen von 5 pro Woche an Kitas vegetarisch sein. Die Kita/der Träger sollte außerdem nach den Empfehlungen des DGE-Qualitätsstandards auf Nachfrage ein ovo-lacto-vegetarisches Gericht im Speiseplan berücksichtigen, als Alternative zum „Fleischgericht“. Die konsequente Umsetzung der Empfehlungen der DGE-Qualitätsstandards ermöglicht damit auch eine rein vegetarische Verpflegung in Kitas und Schulen. Generell ist die Umsetzung des DGE-Qualitätsstandards für die Kitaverpflegung eine freiwillige Entscheidung des Kita-Trägers und keine gesetzliche Verpflichtung. Eine vegane Ernährung für Kinder empfiehlt die DGE auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse jedoch nicht, da eine ausreichende Versorgung mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen nicht gesichert sei oder nur schwer möglich ist. ... Ein weiteres Argument für unsere kritische Haltung bzgl. veganer Verpflegung an Kitas: Die Planung eines guten und ausgewogenen veganen Angebots würde ein umfassendes Ernährungswissen der beteiligten Akteurinnen und Akteure voraussetzen. In der Praxis ist jedoch häufig pädagogisches Personal - manchmal auch eine Person aus dem Bereich Verwaltung - für die Speisenplanung/ Auswahl zuständig. Entsprechende Kenntnisse im Ernährungsbereich liegen hier oftmals nicht vor."
  • NRW: Es lag ebenfalls eine Antwort der Vernetzungsstelle NRW vor, die aber nicht direkt auf die vegane Ernährung einging. Auf der Internetseite der Vernetzungsstelle NRW wird jedoch dieser Beitrag verlinkt, der offensichtlich an den Empfehlungen der DGE orientiert ist. In diesem Beitrag wird ausgeführt, dass eine vegane Ernährung, die keine Lebensmittel tierischen Ursprungs wie Fleisch, Milch und Milchprodukte enthält, für Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche nicht wirklich zu empfehlen sei. Es wird auf mögliche Nährstoffdefizite hingewiesen. Wissenschaftliche Befunde zu möglichen Vorteilen bleiben unerwähnt, ein Muster, das sich auch durch die Stellungnahmen der DGE zieht.

Verantwortung der DGE

  • Das Engagement von Svenja Hartmann und die Antworten der Vernetzungsstellen zeigen, dass die Diskriminierungen, von denen vegane Familien in Kindergärten und Schulen berichten, objektiv mit der Haltung der DGE zur veganen Ernährung von Kindern und Jugendlichen zusammenhängen.
  • Die Haltung der DGE steht im Gegensatz zur weltweit größten ernährungswissenschaftlichen Vereinigung, der Academy of Nutrition and Dietetics. Diese hat nach umfassender Prüfung des Forschungsstandes festgestellt, dass eine gesunde vegane Ernährung für Menschen aller Altersstufen möglich ist, einschließlich Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen. Die Academy of Nutrition and Dietetics hat sogar darauf hingewiesen, dass Kinder, die vegan aufwachsen, möglicherweise später seltener an Herzerkrankungen, Krebs, Adipositas und Diabetes leiden werden.
  • Die Haltung der DGE trägt einen erheblichen Teil der Verantwortung für die anhaltende Diskriminierung veganer Familien in Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen, einschließlich der möglichen schwerwiegenden psychischen und sozialen Folgen. Dies zeigt sich auch in einem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts von 2016. Dieses Urteil stützte sich explizit auf die Empfehlungen der DGE und verneinte das Recht veganer Kinder auf eine vegane Ernährung in Kindergärten und Schulen.

Erfahrungen der Protagonist:innen

Svenja Hartmann, selbst Mutter eines 3-jährigen Sohnes, teilt die Erfahrung vieler Eltern, dass ihr Sohn keinerlei Probleme mit der veganen Ernährung hat, jedoch erhebliche Schwierigkeiten im Kindergarten auftreten. Die Ergebnisse ihrer Recherche deuten darauf hin, dass die Empfehlungen der DGE ein entscheidender Faktor für die aktuellen Herausforderungen veganer Familien in Kindergärten darstellen.

Eine ähnliche Schlussfolgerung zieht Ann-Marie Orf, Mutter eines schulpflichtigen Sohnes, die sich gemeinsam mit Kalyanii Bilhari für eine stärker pflanzenbasierte Ernährung in Schulen einsetzt (siehe Interview mit Ann-Marie Orf). In der Antwort der DGE auf eine Anfrage von Ann-Marie Orf und Kalyanii Bilhari äußerte die DGE - trotz grundsätzlicher Unterstützung für die Förderung einer vorwiegend pflanzenbasierten Ernährung - Bedenken darüber, dass weniger gebildete oder privilegierte Bevölkerungskreise eine vegane Ernährung nicht angemessen umsetzen könnten.

Ann-Marie Orf schildert in ihren Antworten auf meine Fragen (siehe Interview mit Ann-Marie Orf), dass sie und ihr Sohn in Bezug auf vegane Ernährung in der Schule bisher Glück hatten. An ihrer Schule gab es zwei Caterer, und obwohl es mit dem ersten Caterer Verhandlungen erforderte, um vegane Verpflegung zu ermöglichen, war die Ansprechpartnerin bereit, sich dem Thema zu widmen. Die Zusammenarbeit verlief erfolgreich. Im zweiten Fall war es sogar noch einfacher, veganes Essen als Sondermahlzeit zu bestellen. Allerdings müsse das oft langweilige und nicht besonders vollwertige Schulessen durch das Familienessen ausgeglichen werden.

Individuelle Lösungen

Diese Erfahrungen zeigen, dass individuelle Lösungen möglich sind, jedoch oft Engagement und Verhandlungsbereitschaft erfordern. Allerdings sind selbst dann diese Lösungen nicht immer abwechslungsreich und vollwertig. Es scheint, dass Caterer, selbst wenn sie sich auf vegane Ernährung einlassen, manchmal überfordert sind, insbesondere, da es keine klaren Richtlinien von Seiten der DGE oder der Vernetzungsstellen gibt. Hier könnte die DGE mit veganen Menüplänen für Kindertagesstätten und Schulen also tatsächlich einen wichtigen Beitrag leisten.

Es ist zudem zu bedenken, dass nicht alle veganen Eltern die gleiche Durchsetzungskraft und Resilienz haben wie Ann-Marie Orf oder Svenja Hartmann. Für einige kann die Notwendigkeit, mit Einrichtungen und Caterern zu verhandeln, eine große Herausforderung darstellen, zu Stress und Überforderung führen. Es fehlt an Verbindlichkeit, sodass vegane Familien einer Willkür und Unsicherheit ausgesetzt sind, im Gegensatz zu omnivoren Familien.

Das Ziel von Ann-Marie Orf ist es, die Situation für vegan lebende Schulkinder und das pädagogische Personal in Schulen zu verbessern, um allen Schüler:innen eine klima- und tierfreundliche Ernährung zu ermöglichen. Sie hat sich bereits an verschiedene Stellen gewandt, darunter auch an die DGE. Ihrer Ansicht nach sind die DGE-Standards, die derzeit keine vegane Ernährung für Kinder vorsehen und nur in wenigen Regionen Deutschlands als verbindlich gelten, eine der Hauptursachen für die Probleme, mit denen vegane Familien in Kindergärten und Schulen oft konfrontiert sind.

Die Erfahrungen von Svenja Hartmann, Ann-Marie Orf, die Antworten der verschiedenen Vernetzungsstellen und das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts deuten einheitlich auf die entscheidende Rolle der DGE in der aktuell schweren Situation veganer Familien in Deutschland hin. Ohne eine Änderung der Haltung der DGE wird es kaum möglich sein, auf allgemein verbindlicher Ebene Erleichterungen für vegane Familien in Deutschland zu erreichen, obwohl es bereits jetzt für einige Familien möglich ist, individuelle Lösungen zu finden.

Veganer Kindergarten

Im Gegensatz zur allgemeinen Situation gibt es in Deutschland auch vegane Kindertagesstätten, die ausschließlich vegane Ernährung anbieten. Bekannt sind der Mokita Kinderladen in Frankfurt am Main und Erdlinge e.V. in München, die hier Pionierarbeit leisten.

Welche Herausforderungen sind hiermit verbunden, was sind die Motive und die mit solch einem Projekt verbundenen Schwierigkeiten?

Ich stelle diese Fragen an Johannes Herweg, der zusammen mit Lucien Coy Vorsitzender des Vereins Veggie-Kids e.V. ist, der den Mokita Kinderladen in Frankfurt am Main als Trägerverein betreibt (siehe Interview mit Johannes Herweg). Dabei handelt es sich um eine rein vegane Kindertagesstätte, die aus einer Elterninitiative entstanden ist.

Im Interview erklärt Johannes Herweg das Konzept des Kinderladens Mokita, in dem sämtliche Einkäufe vegan sind - einschließlich Ausstattungs- und Verbrauchsmaterialien. Darüber hinaus vermeidet der Kinderladen Bauernhof- oder Zoobesuche und achtet bei der Auswahl von Büchern, Liedern und Spielen darauf, den Kindern keine "Bauernhofromantik" zu vermitteln, die in vielen Kinderbüchern leider zu finden ist.

Johannes Herweg berichtet von den Herausforderungen, die der Kinderladen anfangs in Bezug auf Vorbehalte aus Politik und Presse erlebte, die sogar in einem "reißerischen Spiegel-Artikel" gipfelten. Doch mittlerweile hat sich die Situation gewandelt, und der Verein fühlt sich von der Stadt Frankfurt gut unterstützt.

Der Kinderladen erfreut sich großer Beliebtheit, gerade auch bei omnivoren und vegetarischen Familien, aus denen die Mehrzahl der Kinder stammt. In diesem Jahr werden jedoch erstmals mehr vegan als omnivor lebende Kinder aufgenommen, was Johannes Herweg als Anzeichen für eine zunehmende Akzeptanz des Veganismus in der Gesellschaft betrachtet: "Ich denke, hier spiegelt sich nun wieder, dass vegan zu leben immer mehr zur Normalität in der Gesellschaft wird und langsam auch immer mehr vegane Familien entstehen."

Plattform für vegane Eltern

Auch Julia, die Gründerin von "Tofunatives hat ihre eigenen Erfahrungen genutzt, um sich für die vegane Ernährung von Kindern zu engagieren (siehe Interview mit Julia). Mithilfe von "Tofunatives" unterstützt sie nun andere vegane Eltern, sich miteinander zu vernetzen.

Als Mutter von zwei Grundschulkindern, die von klein auf vegan leben, und selbst seit über neun Jahren vegan lebend, kennt sie die Herausforderungen aus erster Hand, denen sich Kinder, die sich anders ernähren, stellen müssen. Ihr liegt daran, ihre eigenen Kinder so zu begleiten, dass sie Veganismus als etwas Positives und Bereicherndes erleben und sich ganz auf ihr Kindsein konzentrieren können.

Julias Erfahrung zeigt, dass für viele vegane Familien letztendlich die Wahl der Fremdbetreuung darüber entscheidet, ob die vegane Lebensweise auch außerhalb des Elternhauses fortgesetzt wird oder nicht. Oftmals würden aufgrund fehlender Alternativen "faule Kompromisse" eingegangen.

Sie rät veganen Familien, in engem Kontakt mit den Einrichtungen zu bleiben und vor Ort alles zu besprechen: "Meine Kernaussage ist immer, dass man mit dem Team vor Ort spricht. Kommunikation und Abstimmung zwischen der Familie und der Institution sind wichtig. Ich weiß, dass dies anstrengend sein kann und Engagement voraussetzt, es ist aber essenziell für ein Gelingen des Kita-Besuchs, auch mit Blick auf außergewöhnliche Ereignisse wie z. B. Feste und besondere Aktivitäten. Als Eltern ist es zum Beispiel ratsam, nicht nur vegane Süßigkeiten für alle Eventualitäten zu hinterlegen, sondern auch immer aufmerksam auf den Aushängen zu schauen, was demnächst ansteht, mit den Erzieher:innen im Austausch zu bleiben, Unterstützung durch Rezepte und Co. anzubieten und auch selber bei Feiern mit veganen Buffetbeiträgen präsent zu sein. Oftmals liegt auch kein böser Wille vor, sondern die alten Pfade sind noch so omnipräsent, dass es manchmal mehr als nur ein Augenpaar benötigt, um eingeschliffene Gewohnheiten abzulegen. Meiner Erfahrung nach sind Einrichtungen oft bereit, ihre Prozesse anzupassen, sobald eine entsprechende Eltern-Erzieher:innen-Kommunikation entstanden ist."

Es wird also deutlich, dass zwar individuelle Lösungen für vegane Familien erzielbar sind, aber auch, dass diese mit erheblichem Engagement der Eltern verbunden sind. Julia betont, wie wichtig es für sie ist, sicherzustellen, dass ihre Kinder überall, wo sie sind, eine gleichwertige vegane Alternative haben. Oftmals gehen sie sogar noch weiter, um anderen Kindern die Möglichkeit zu geben, es auszuprobieren. Sie unterstreicht jedoch, dass dies zeitaufwändig ist und viel Kommunikation erfordert, was nicht immer einfach sei.

Es wird offensichtlich, dass die Situation veganer Eltern weit von der Situation omnivorer Eltern entfernt ist, die ihre Kinder relativ unbesorgt und ohne großen Aufwand in Kindertagesstätten und Schulen schicken können. Für vegane Eltern ist dies derzeit in Deutschland nicht möglich.

Dennoch sehen Julia und andere Betroffene eine langsame positive Entwicklung. Julia möchte durch einen Mitgliederbereich bei "Tofunatives" veganen Eltern die Möglichkeit bieten, sich besser zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen. Dies soll dazu beitragen, das oft bestehende Gefühl des "Einzelkämpfertums" bei veganen Familien zu mildern.

Diese Strategie ähnelt derjenigen, die auch andere diskriminierte Minderheiten und Gruppen erfolgreich immer wieder angewendet haben. Ein solidarischer Zusammenschluss von Betroffenen kann dazu beitragen, individuellen psychischen Belastungen entgegenzuwirken und die Sichtbarkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern.

Langsame Verbesserung

Jakob Schäuffelen, Filmemacher und Veganer, ist unter anderem bei Parents for Future aktiv (siehe Interview mit Jakob Schäuffelen), berichtet ebenfalls von positiven Erfahrungen mit veganer Ernährung in Kindergärten, Schulen und Horts: "In der Kita wurde und in der Schule und im Hort wird jetzt akzeptiert, dass unsere Söhne vegan essen möchten. Es gibt erfreulicherweise meist eine vegane Alternative extra für unsere Jungs. Manchmal wird aber auch nur die Käsesoße weggelassen und dann kriegen unsere Kinder trockene Nudeln." Er betont auch, dass er eine allmähliche Zunahme der Akzeptanz für vegane Ernährung erlebt. Als Gegenmittel gegen die nach wie vor bestehende Ignoranz empfiehlt er "Information, Information und noch mehr Information. Das Wissen über die Wahrheit ist wie eine Weiche: Ab hier geht es da lang oder dort lang. Diese Informationsweiche kannst du nicht ignorieren, ohne dich dabei unwohl zu fühlen.."

Kinder essen gerne vegan

Es ist wichtig, zu betonen, dass die vegane Ernährung von Kindern an sich keine unüberwindbaren Hürden oder unlösbaren Schwierigkeiten mit sich bringt. Die Schwierigkeiten, mit denen vegane Familien konfrontiert sind, resultieren nicht aus den Anforderungen der veganen Ernährung selbst, sondern aus gesellschaftlichen Vorurteilen und institutionalisierten Empfehlungen. Trotz einiger positiver Projekte und fortschrittlicher Ansätze sind vegane Familien nach wie vor mit erheblichen Problemen in Kindergärten und Schulen konfrontiert.

Die Interviews und unsere eigene Umfrage mit veganen Eltern zeigen eindeutig, dass die gesellschaftliche Debatte über die vegane Ernährung von Kindern im Widerspruch zur problemlosen Akzeptanz durch die Kinder steht. Selbst Kindertagesstätten, die sich vollständig dem veganen Konzept verschrieben haben, erfreuen sich einer hohen Akzeptanz bei omnivoren, vegetarischen und veganen Familien.

Trotz dieser positiven Beispiele und des Potenzials, das sie zeigen, stoßen viele vegane Eltern auf Probleme und Herausforderungen im Alltag. Diese reichen von Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Kindergartenplatz bis hin zur Verweigerung von veganem Essen für vegane Kinder in der Schule.

Umso wichtiger ist es aber festzuhalten, dass die veganen Kinder und Jugendlichen selbst in den Erfahrungen der Befragten keine Probleme mit ihrer veganen Ernährung berichten. Im Gegenteil, es zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche problemlos eine vegane Ernährung annehmen können, selbst wenn sie zu Hause eine Mischkost mit Fleisch erhalten.

Die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen, die problemlos vegan leben, und die positiven Entwicklungen in Kindergärten und Schulen geben Anlass zur Hoffnung, dass Veränderungen möglich sind, wenn sich vegane Eltern gemeinsam für Verbesserungen einsetzen.

DGE muss sich bewegen

Die bereits existierenden Beispiele von veganen Kindertagesstätten können ihre Verhandlungsposition stärken. Dennoch ändern individuelle Erfolge nichts an der dringenden Notwendigkeit einer Überarbeitung der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) aus veganer Perspektive. Ohne diese Überarbeitung wird es schwierig sein, das Recht der betroffenen Familien auf vegane Ernährung nicht nur im Einzelfall, sondern als allgemeines Recht durchzusetzen.

Letztendlich sind die Ernährungsempfehlungen der DGE die Hauptursache für die noch bestehenden Probleme veganer Familien in Kindergärten und Schulen. Aufgrund dieser Empfehlungen sind vegane Eltern weiterhin gezwungen, für die Bereitstellung veganer Verpflegung ihrer Kinder zu kämpfen. Dies kann bis zur Notwendigkeit führen, Rechtsanwälte einzuschalten, was angesichts der damit verbundenen psychischen und finanziellen Belastungen von keinen Eltern gewünscht wird, die einfach nur möchten, dass ihre Kinder in Kindergärten und Schulen gesund vegan essen können.

Wir befinden uns in einer Zeit, in der die Gesellschaft intensiv über den eskalierenden Klimawandel diskutiert. Gleichzeitig gibt es immer mehr positive empirische Erkenntnisse über die vegane Kinderernährung. Auch das Tierwohl spielen in der gesellschaftliche Wahrnehmung eine Rolle. Vor diesem Hintergrund scheint die kritische Haltung der DGE die letzte gesellschaftliche Barriere zu sein, die vegane Familien überwinden müssen, um eine Bereitstellung einer veganen Verpflegung in Kindergärten und Schulen durchzusetzen.

Wenn die DGE ihre Empfehlungen ändern würde und in Zukunft vegane Menürichtlinien für Kindergärten und Schulen vorschlagen würde, könnte sich wahrscheinlich keine Einrichtung mehr diesem Trend widersetzen. Das Ende der Ausgrenzung und Diskriminierung veganer Familien wäre in Sicht.

Das bedeutet, dass die DGE die entscheidende Anlaufstelle ist, an die sich Veganer:innen wenden und mit der sie in einen Dialog treten müssen, wenn es darum geht, Verbesserungen für vegane Familien zu erreichen und die anhaltende gesellschaftliche Diskriminierung abzubauen.

Vier Fragen an die DGE

Dies war Grund genug für mich, direkt bei der DGE nachzufragen.

Ich habe der DGE die Ergebnisse unserer Umfrage zur Situation von veganen Eltern und Kindern geschildert und darum gebeten, uns die folgenden vier Fragen für einen Artikel auf vegan.eu zu beantworten:

  1. Ist der DGE bewusst, dass veganen Eltern und Familien aufgrund der vielfältigen Vorbehalte innerhalb der Gesellschaft ein unbeschwertes Familienleben erschwert wird und zahlreiche kritische Entwicklungsstufen bzw. Ereignisse (z.B. Besuch von Kindergarten, Einschulung) mit Komplikationen verbunden sind?
  2. Haben Sie sich als DGE bereits mit möglichen negativen Auswirkungen von Ablehnung, Mikroaggressionen und Diskriminierung auf die seelische Gesundheit und soziale Integration von veganen Eltern und ihren Kindern beschäftigt?
  3. Erkennen Sie, dass durch Ihre derzeitigen Stellungnahmen für vegane Eltern und Kinder direkte negative Auswirkungen in deren Leben entstehen bis hin zur Verweigerung von Kindergartenplätzen und werden Sie tätig werden, um Ihren Beitrag zu leisten, dass diese Diskriminierung beendet wird?
  4. Bei mir entsteht der Eindruck (ich mag mich irren), dass Ihnen als DGE noch nicht ausreichend bewusst ist, wie stark die vegane Lebensweise bei denen, die ihre Kinder vegan ernähren, in ihrem persönlichen Überzeugungssystem und der Ethik verankert ist. Die Forderung, die eigenen Kinder mit Tierprodukten zu ernähren, wird hier notwendigerweise (wie bei religiösen Nahrungsmittelgeboten) als Angriff auf die eigene personale Integrität und damit als Übergriff erlebt. Kann die DGE diese Verarbeitung durch die Betroffenen nachvollziehen und erachten Sie es wirklich als gerechtfertigt, vegane Eltern diesem Druck auszusetzen?

Die DGE antwortete folgendermaßen:

"vielen Dank für Ihre ausführliche Schilderung der Ergebnisse Ihrer Umfrage zu erlebter Ablehnung und Diskriminierung unter veganen Elternteilen mit minderjährigen Kindern.

Aufgrund der vorhandenen wissenschaftlichen Ergebnisse empfiehlt die DGE eine vegane Ernährung für Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche nicht.

Dennoch spricht die DGE Handlungsempfehlungen aus: "Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche, die sich sowie Eltern, die ihre Kinder vegan ernähren möchten, benötigen besonders fundierte Ernährungskompetenzen. Daher wird eine Ernährungsberatung durch qualifizierte Fachkräfte dringend angeraten." (Richter et al. 2020). Zudem sollen laut der Ergänzung zur DGE-Position zu veganer Ernährung aus 2020 Fachkräfte, die entsprechende Personengruppen beraten, diese bestmöglich bei der Umsetzung einer bedarfsgerechten veganen Ernährungsweise unterstützen.

Die DGE arbeitet derzeit an der Neubewertung ihrer Position zu veganer Ernährung, wobei neben Gesundheit auch die Nachhaltigkeitsdimensionen Umwelt, Soziales und Tierwohl berücksichtigt werden. Bei der Erarbeitung von Empfehlungen geht die DGE wissenschaftlich unabhängig, transparent und auf Basis wissenschaftlicher Bewertungen vor. Neben der Neubewertung der Position zu veganer Ernährung, werden aktuell zudem im Rahmen der Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung vegane Menülinien für verschiedene Lebenswelten entwickelt. ..."

Perspektive der Betroffenen nicht berücksichtigt

Es ist bedauerlich, dass die Antwort der DGE keine klaren Bezüge zu den gestellten Fragen aufweist. Offensichtlich hat die DGE noch keine eindeutige Position zur Diskriminierung veganer Familien und dem Einfluss ihrer Empfehlungen auf diese Problematik entwickelt. Die Antwort der DGE kann als eine Art Nicht-Antwort betrachtet werden. Dies lässt vermuten, dass die DGE bisher nicht ausreichend die möglichen Auswirkungen ihrer Empfehlungen auf betroffene Familien in Betracht gezogen hat.

Es liegt sicherlich nicht im Interesse der DGE, dass vegane Kinder Schwierigkeiten haben, Kindergartenplätze zu erhalten, oder dass ihre Eltern unter starkem Stress leiden, der sogar dazu führen kann, dass sie über eine Auswanderung nachdenken.

Die Erfahrungen der Betroffenen, die Stellungnahmen der Vernetzungsstellen und das zitierte Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts zeigen, dass die Empfehlungen der DGE eine entscheidende Rolle bei der Praxis der Ausgrenzung und Diskriminierung veganer Familien spielen. Es scheint, dass die DGE dies bisher nicht ausreichend berücksichtigt hat. Es ist eben nicht genug, wenn die DGE angibt, veganen Familien unterstützend zur Seite stehen zu wollen, während ihre Empfehlungen gleichzeitig den Alltag dieser Familien in Kindergärten und Schulen erschweren.

Die Stellungnahme der DGE erweckt einerseits Hoffnung, da sie möglicherweise eine Veränderung in Aussicht stellt. Andererseits zeigt sie aber auch, dass die DGE sich immer noch nicht mit den Auswirkungen ihrer Empfehlungen auf betroffene Familien auseinandergesetzt hat. Die gesellschaftliche Diskriminierung veganer Familien bleibt weiterhin unsichtbar und es scheint, dass selbst die DGE als in Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern maßgebliche Fachgesellschaft für Ernährung diese Problematik bislang nicht erkennt.

Es bleibt paradox, dass ausgerechnet diejenigen, die sich am meisten für Umweltschutz einsetzen und oft ein besonders großes Interesse an gesunder Ernährung haben, diskriminiert und ausgeschlossen werden.

Es gibt keine gerechtfertigte Begründung dafür, veganen Kindern die Verpflegung in Kindergärten und Schulen zu verwehren, ihnen das Mitbringen ihres eigenen Essens zu untersagen oder ihre Eltern zu kritisieren oder moralisch zu verurteilen. Es wäre wünschenswert, dass die DGE als führende Fachgesellschaft für Ernährung dieser Diskriminierung entschlossen entgegentritt und nicht weiterhin durch ihre Empfehlungen dazu beiträgt.

Die Andeutung in der Antwort der DGE, dass sie ihre Empfehlungen überprüft, gibt Hoffnung, dass die DGE nun erkennt, wie untragbar die derzeitige Situation ist. Die Einführung expliziter veganer Menürichtlinien für Kindergärten und Schulen würde künftige Berufungen auf die Empfehlungen der DGE als Rechtfertigung für gesellschaftliche Diskriminierung unmöglich machen.

Da die DGE inzwischen ausdrücklich auch die Aspekte Klimaschutz, Umweltschutz und Tierwohl in ihre Standards einbezieht, wäre es unverständlich, wenn sie ihre derzeitigen Empfehlungen nicht so ändert, dass sie nicht weiterhin zur Fortsetzung der bestehenden Diskriminierung beitragen.

Unzumutbare Forderungen an vegane Eltern

Ein Missverständnis und eine Verkennung der Situation zeigt sich oft in Diskussionen über die vegane Kinderernährung. Einige interpretieren die vegane Ernährung von Kindern als eine Art Zwang seitens der Eltern, der die Freiheit der Kinder einschränkt. Sie fragen, warum nicht einfach abwarten, wie sich die Kinder entscheiden.

Was dabei oft übersehen wird, ist Folgendes:

  • Es ist völlig normal und akzeptiert, dass Eltern ihre Kinder nach ihren eigenen ethischen Überzeugungen und Lebensstilen erziehen. Zum Beispiel geben gläubige Muslime oder Juden ihren Kindern kein Schweinefleisch. Menschen mit starken ethischen Überzeugungen empfinden es als unzumutbar, ihre Kinder gegen ihre ethischen Prinzipien handeln zu lassen.
  • Die vegane Lebensweise basiert in den meisten Fällen auf Ethik. Veganer:innen leben so, weil sie Tierleid, Umweltschäden und den Klimawandel als untragbar ansehen und sich verpflichtet fühlen, aktiv zur Lösung dieser Probleme beizutragen. Tatsache ist zudem, dass keine andere Ernährungsweise mit weniger Tierleid verbunden ist. Die vegane Ernährung hat auch den geringsten negativen Umwelt- und Klimaeinfluss im Vergleich zu anderen Ernährungsformen.
  • Daher ist es für viele Eltern, die sich für eine vegane Lebensweise entschieden haben, eine ethische Verpflichtung, ihre Kinder ebenfalls vegan zu ernähren. Dies ist nicht als Zwang zu betrachten, sondern als eine elterliche Entscheidung, die auf ihren Überzeugungen beruht und das Wohl ihrer eigenen Kinder, der Tiere und die Zukunft des Planeten im Blick hat.

Wenn von veganen Eltern gefordert wird, in der Erziehung ihrer Kinder gegen ihre eigenen Überzeugungen zu handeln, ist dies eine Forderung, die weit über das hinausgeht, was die Gesellschaft typischerweise von Eltern verlangt.

Die Überzeugung von Veganer:innen beruht dabei - anders als religiöse Überzeugungen - nicht einfach nur auf Glauben, sondern steht mit wissenschaftlichen Fakten im Einklang, nämlich dass keine alternative Ernährungsweise existiert, die in gleichem Maße Tierleid und Umweltzerstörung vermeiden kann. Eine solche Forderung an vegane Eltern zu stellen, ist daher aus psychologischer Sicht unzumutbar, da sie bei ihrer Umsetzung, wie auch unsere Umfrage zeigte, erhebliche innere Konflikte, Schuldgefühle und Unzufriedenheit verursachen würde.

Darüber hinaus ist es eine psychologische Sachlage, dass die ersten Lebensjahre und die Kindheit unsere Gewohnheiten in besonderem Maße prägen. Was in der Kindheit gelegt wird, kann später noch verändert werden, aber oft ist hierfür ein hoher Aufwand erforderlich, und viele Schwierigkeiten sind zu überwinden. Warum sollten vegane Eltern ihren Kindern jedoch durch die Konditionierung ihrer Geschmäcker und ihrer Gewohnheiten auf den Konsum von Tierprodukten den Übergang zur veganen Lebensweise erschweren?

Letztlich geht es um die Beantwortung dieser Frage:

  • Können wir von Eltern erwarten, ihre Kinder so zu erziehen, dass sie der Überzeugung sind, ihre Kinder zu etwas Falschem, ethisch Unverantwortlichem anzuleiten?

Die DGE und andere vegan-kritische Teilnehmende an der Diskussion haben es bisher vermieden, diese Frage zu beantworten oder sich auch nur damit auseinanderzusetzen. Ohne eine klare Antwort auf diese Frage ist jedoch eine ernsthafte und ehrliche Auseinandersetzung nicht möglich.

Warum konnte diese Frage übersehen werden?

Als Antwort darauf drängt sich mir auf, dass sich die involvierten Parteien in der Diskussion und auch die DGE die tiefe und ethische Fundierung der veganen Lebensweise bisher nicht ausreichend verstanden und zur Kenntnis genommen haben. Damit verkennen sie jedoch die Kernsituation veganer Eltern und sind selbst nicht dazu in der Lage, tatsächlich reflektierte Ernährungsempfehlungen herauszugeben.

Es ist bedauerlich und hinterlässt einen beklemmenden Eindruck, dass die DGE sich nach vielen Jahrzehnten der langsamen Verbreitung der veganen Lebensweise - trotz zahlreicher Studien, die die Umwelt- und Klimavorteile der veganen Lebensweise belegen und Gesundheitsbedenken entkräften - nach wie vor in diesem Anfangsstadium der Analyse befindet.

Ich selbst möchte aus meiner psychologischen Sichtweise die Frage beantworten, ob die Forderung einer nicht-veganen Ernährung für vegane Eltern zumutbar ist, abschließend wie folgt beantworten:

  • Ohne eine eindeutige und überwältigende negative Befundlage, die die Schädlichkeit der veganen Lebensweise belegt, ist es ein schwerwiegender, unverhältnismäßiger Eingriff in die Familienintegrität und die Erzieher:innenrolle der Eltern, wenn die DGE von veganen Eltern explizit oder implizit fordert, ihre Kinder gegen ihre Überzeugungen zu erziehen.
  • Mit der aktuellen Befundlage, die sogar für eine durchschnittliche Überlegenheit der veganen Ernährung spricht, kann eine Empfehlung gegen die vegane Ernährung als ein dezidierter Übergriff bewertet werden, der gesellschaftlicher Diskriminierung Tür und Tor öffnet und moralisch nicht anders zu bewerten ist als Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Sexismus. Denn im Ergebnis werden Menschen aus der Gesellschaft herausgedrängt, unter Druck gesetzt und ihnen das Leben erschwert, die selbst nicht anders tun wollen, als friedfertig zu leben, ihre Kinder liebevoll zu erziehen und einen positiven Beitrag zu unserer durch Umweltzerstörung und Tierleid geprägten Gesellschaft zu leisten.

Eine positive Entwicklung in Sicht?

  • Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat im Laufe der Jahre einen Wandel in ihrer Haltung zur pflanzenbasierten Ernährung durchgemacht. Ursprünglich lehnte sie vegetarische Ernährung, insbesondere für Kinder, entschieden ab. Doch im Laufe der Zeit änderte sich diese Einstellung. Die DGE begann damit, vegetarische Ernährung für Erwachsene zu akzeptieren, blieb aber skeptisch gegenüber vegetarischer Kinderernährung. Erst nach einigem Ringen öffnete sie sich auch für die Idee einer vegetarischen Kinderernährung, lehnte jedoch nach wie vor die vegane Ernährung für Erwachsene und Kinder ab. Schließlich gab sie einen Großteil ihrer Vorbehalte gegen die vegane Ernährung von Erwachsenen auf, blieb aber bei einer dezidierten Warnung vor einer vegane Kinderernährung. Mittlerweile hat sie diese Warnung abgemildert und formuliert es lediglich so, dass sie eine solche Ernährung nicht empfiehlt.
  • Interessanterweise stützte sich die DGE nie auf überzeugende wissenschaftliche Beweise, um ihre Bedenken gegenüber vegetarischer oder veganer Ernährung zu untermauern. Stattdessen orientierte sie sich implizit am gesellschaftlichen Konsens und verwies bezüglich der veganen Ernährung sogar auf Forschungsergebnisse mit religiösen Extrem-Gruppen, die auch pflanzliche Lebensmittel einschränken. Positive Befunde zur veganen Ernährung wurden von der DGE demgegenüber weitgehend ausgeblendet. Dies hat dazu geführt, dass die DGE hinter ihrer US-amerikanischen Schwester, der Academy of Nutrition and Dietetics, zurückblieb. Während letztere die potenziellen gesundheitlichen Vorteile der veganen Kinderernährung betont und vegane Eltern aktiv unterstützt, macht es die DGE diesen Familien mit ihren Empfehlungen weiterhin schwer.
  • Angesichts der zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Umwelt- und Klimavorteile einer veganen Ernährung eindrucksvoll belegen, und der wachsenden Anzahl von Studien mit hunderten vegan ernährten Kindern im deutschsprachigen Raum, die eher positive Effekte aufzeigen, ist es an der Zeit, dass die DGE einen Schritt nach vorne macht. Sie könnte endlich die Möglichkeit einer gesunden und ausgewogenen veganen Kinderernährung offiziell anerkennen und Empfehlungen für die Umsetzung dieser Ernährungsweise in Kindergärten, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen formulieren.
  • Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) befindet sich derzeit offenbar in einem bedeutsamen Prozess der Überarbeitung ihrer Richtlinien und Empfehlungen. Leider ist dieser Prozess von geringer Transparenz und offenbar durch den Ausschluss veganer Gesprächspartner:innen geprägt. Diese fehlende Offenheit wirft Fragen darüber auf, inwieweit die DGE die Perspektiven und Bedenken veganer Familien angemessen in Betracht zieht und ob die Empfehlungen möglicherweise ohne ausreichende Berücksichtigung der Betroffenen erstellt werden.

Anzeichen für einen Wandel

Trotz dieser Bedenken gibt es Grund zur Hoffnung, da die Tatsache, dass die Empfehlungen überarbeitet werden, auf eine mögliche Öffnung der DGE für die Anliegen veganer Familien hindeutet. Insbesondere angesichts der wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnisse scheint es schwer vorstellbar, dass die DGE an Empfehlungen festhält, die eine Diskriminierung veganer Familien begünstigen und zementieren.

Obwohl die DGE ihre Position bisher nicht ausführlich erläutert hat, deuten einige Medienberichte darauf hin, dass sie möglicherweise eine grundlegende Veränderung ihrer Empfehlungen in Betracht zieht. Es wurde ursprünglich von der Bildzeitung darüber berichtet, dass die DGE überlegt, auch für Erwachsene eine Obergrenze für den Fleischkonsum von 10 Gramm pro Tag zu empfehlen. Ob dies Auswirkungen auf ihre Empfehlungen zur veganen Kinderernährung haben wird, bleibt abzuwarten, doch es lässt vermuten, dass die DGE beginnt, die schädlichen Auswirkungen von Fleischkonsum ernsthafter zu berücksichtigen. Dies könnte möglicherweise auch zu einer positiveren Haltung gegenüber veganer Kinderernährung führen.

Es ist durchaus wichtig zu beachten, dass die Bildzeitung nicht für ihre Unterstützung pflanzenbasierter oder veganer Ernährung bekannt ist, und ihre Veröffentlichung könnte andere Motive haben. Die durch die Berichterstattung womöglich verstärkte Lobbyarbeit der Fleisch- und Nutztierindustrie ist ein bedeutender Faktor in der Ernährungsdiskussion, und es gibt berechtigte Besorgnis darüber, dass die DGE diesen Einflüssen erliegen könnte. Dass die DGE mittlerweile den Artikel der Bildzeiten in Teilen gemäß der taz dementierte, gibt durchaus Anlass zur Besorgnis über die im Hintergrund wirksamen Einflüsse.

Dennoch bleibt die Hoffnung, dass die DGE wissenschaftliche Erkenntnisse und ethische Überlegungen über wirtschaftliche Interessen stellt. Die Bedeutung pflanzenbasierter Ernährung im Kontext des Klimawandels und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist schwer zu ignorieren. Eine weltweite Bewegung zur Förderung pflanzenbasierter Ernährung aus Gründen des Umweltschutzes und der Gesundheit gewinnt bereits an Fahrt, und die DGE könnte in dieser Entwicklung eine positive Rolle spielen.

Vegane Solidarität

Die Auswirkungen der neuen Empfehlungen der DGE auf vegane Familien sind derzeit noch ungewiss. Es wird davon abhängen, wie die DGE wissenschaftliche Erkenntnisse und ethische Überlegungen in ihre Empfehlungen einbezieht.

Sollte die DGE jedoch an Empfehlungen festhalten, die weiterhin zur Diskriminierung und Ausgrenzung veganer Familien führen, wäre dies sicherlich problematisch und würde die DGE in eine unvorteilhafte Position bringen. In einem solchen Fall wäre es wichtig, dass die Mitglieder der veganen Community und deren Unterstützer:innen durch Solidarität und organisierte Proteste für ihre Rechte eintreten und die moralischen Verwerflichkeit der Diskriminierung von veganen Familien aufzuzeigen.

Bald wird sich zeigen, ob die Mitglieder der Kommission und die DGE die Zeichen der Zeit erkennen und zu Empfehlungen gelangen, die die anhaltende Diskriminierung veganer Familien in Deutschland beenden werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse und ethische Überlegungen sollten die Grundlage für diese Empfehlungen bilden, um eine gerechtere und respektvollere Gesellschaft zu fördern.

Interviews auf einen Blick

 

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