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Stopfleberproduktion als Ausdruck von Vertrauen zwischen Mensch und Tier – das behaupten die Anthropologinnen Deborah Heath und Anne Meneley

Stopfleberproduktion als Ausdruck von Vertrauen zwischen Mensch und Tier – das behaupten die Anthropologinnen Deborah Heath und Anne Meneley

“The Naturecultures of Foie Gras” – Techniques of the Body and a contested ethics of care”, dies ist der mystisch-hochtrabend wirkende Titel einer durch Deborah Heath und Anne Meneley (2010) vorgelegten Arbeit zur Stopfleberproduktion. Die Autorinnen besuchten verschiedene Betriebe, beobachteten die Haltung, Fütterung und Tötung der betroffenen Vögel, um die zum Ausdruck kommende Beziehung zwischen Tier- und Mensch besser verstehen und die Praktik der Stopfleberproduktion aus ethischer Betrachtungsweise fundierter bewerten zu können.

Die Autorinnen betonen, während ihrer gesamten teilnehmenden Beobachtung kein Tierleid beobachtet zu haben. Lediglich die Schlachtung sei nicht schön gewesen, ohne dass dies von den Autorinnen aber als ein besonders einschneidendes Ereignis erlebt worden wäre. Den Fütterungsprozess, bei dem durch einen Schlauch riesige Mengen an Nahrungsbrei zugeführt werden, schildern die Autoren als einen geradezu zärtlichen Prozess, der auf der Basis einer Vertrauensbeziehung zwischen Ente oder Gans und Fütterer stattfinde. Dabei machen die Autorinnen eine besondere Eignung von Frauen für diese Tätigkeit und die Entwicklung der sie begleitenden als emotional tiefgreifend geschilderten Tier—Mensch-Beziehung aus.

Immer wieder werden im Bericht der Autorinnen Zitate von Betreibern der Foie Gras Produktionsanlagen eingeflochten, die wiederum durchgängig ihren Respekt und ihre Wertschätzung für die Tiere benennen. Die Autorinnen ziehen diese Aussagen, auch wenn sie als Zitate kenntlich gemacht werden, an keiner Stelle in Zweifel, sondern ihr Bericht und ihre Bewertungen verdeutlichen, dass sie die in den Zitaten zum Ausdruck gebrachten Positionen teilen. Gar nicht oder höchst verkürzt werden demgegenüber die Bewertungen von Tierrechtlern und Tierschützern erwähnt und im Regelfall sogleich (scheinbar) widerlegt oder als Ausdruck von Unkenntnis und einer rein emotionalen, die Bedürfnisse von Tieren mit den Bedürfnissen von Menschen verwechselnden Argumentation dargestellt. Tatsächlich ist die Sympathie der Autorinnen für die Betreiber und die Praktik der Stopfleberproduktion in jedem Teil des Artikels erkenntlich und der Anspruch einer sachgerechten Analyse wird nicht erfüllt. Es ist zu vermuten, dass eben diese Sympathie der Autorinnen für die Praxis der Stopfleberproduktion der Grund dafür war, dass die Betreiber ihnen bereitwillig Einblick gewährten, zumal kritische Fragen oder Bewertungen offenbar nicht zu befürchten waren.

Der Prozess des Zuführeng riesiger Nahrungsmittelmengen wird durch die Autorinnen als eine Körpertechnik bewertet, diegeradezu der Natur der betreffenden Vögel entspreche, zumal die Fütterung per Schlauch eines Vogels nicht mit der menschlichen Anatomie vergleichbar sei und auch in der Natur eine Fetteinlagerung in der Leber als Vorrat genutzt werde. Die auf ein Vielfaches ihres Körpergewichtes angeschwollene Leber ist demnach nach den Einschätzungen der Autorinnen nicht Ausdruck einer erzeugten Krankheit, sondern Ergebnis eines auf die Natur zurückgreifenden kulturellen Prozesses.

Die Foie Gras Betriebe werden als Sinnbild einer bäuerlichen und kulinarischen Kultur beschrieben, die als positives Beispiel für eine humane und auf einer emotionalen Verbundenheit zwischen Tier und Mensch beruhenden Tierhaltung den Massentierhaltungs-Betrieben gegenübergestellt wird.Den Tierschützern und Tierrechtlern, die die Abschaffung der Foie Gras Produktion fordern, wird seitens der Autorinnen demgegenüber mangelnder Sachverstand und das Fehlen einer direkten Beobachterrolle bezüglich des Fütterungs- und Haltungsprozesses vorgeworfen.

Die Argumentation der Autorinnen ist inhaltlich nicht überzeugend. Die Sprache ist schwülstig, die Bewertungen sind naiv und unkritisch. So weisen die Autorinnen keinerlei Qualifikation auf, die sie befähigen würde, das Leid der durch sie beobachteten Tiere, für welches sie keinerlei Hinweise finden, einzuschätzen. Auch fehlt jede Distanz zu den Betreibern der Anlagen. Die Autorinnen ließen sich von den Betreibern zeigen, was diese ihnen zeigen wollten, und hinterfragten nicht deren Angaben. Ebenso fehlgeleitet ist der Verweis der Autorinnen auf die Natur,da dieVögel genau deshalb zwangsgefüttert werden, weil sie von Natur aus keineswegs vergleichbare Nahrungsmittelmengen verzehren.In der Natur kommt es entsprechend auch eben nicht zu einer um das Vielfache durch Verfettung angeschwollenen Leber, derenVorliegen die Autorinnen wider alle Fakten nicht als Krankheitsanzeichen bewerten wollen.

Die behauptete Vertrauensbeziehung zwischen Tier und Menschist ein Euphemismus, der die tatsächliche Beziehung der kompletten Kontrolle des Menschen über die Tiere aus der Optik entfernt. Indem die Autorinnen immer wieder Stimmen zitieren, die ein Vertrauen zwischen Mensch und Tier als Voraussetzung des Foie Gras Produktion behaupten, diese Behauptung aber nicht prüfen oder in Zweifel ziehen, sondern im Gegenteil ihre eigenen Bewertungen hieran orientieren, handeln sie unredlich. Ihr Artikel ist keine wissenschaftliche Analyse, sondern in wissenschaftliche Terminologie verpackte Propaganda, der es bereits im Ansatz an methodenkritischen Überlegungen und dem Versuch, die eigenen Überlegungen zu falsifizieren, fehlt.

Es entsteht der Eindruck, dass die Autorinnen letztlich sahen, was sie bereits vorher sehen wollten, wobei ihre Beobachtungen offenbar eher formal der Stützung ihres wissenschaftlichen Anspruchs dienten als den Voraussetzungen einer tatsächlichen wissenschaftlich fundierten Beobachtung zu entsprechen.

Der Artikel wirkt befremdlich und eigentlich lächerlich. Er verwendet aber eine "Lyrik der bäuerlichen Lebenskultur", deren allgemeine Bedeutsamkeit für die Legitimation von Tierausbeutung und Tiertötung nicht verkannt werden sollte.

Das Loblied auf die bäuerliche Landwirtschaft, den dort angenommenen Respekt vor den Tieren und die sich hier scheinbar zeigende vertrauensvolle Tier-Mensch-Beziehung, wird auch in anderen Bereichen angestimmt. Die Verklärung der bäuerlichen Landwirtschaft mit Tierhaltung ist - abseits der Foie Gras Produktion -oftmals für das Denken derjenigen prägend, die für eine angeblich humane Tierhaltung und Tiertötung eintreten und dabei die Umstellung auf eine vegane Lebensweise nicht für erforderlich halten.

Ohne den Schrecken der Massentierhaltung in irgendeiner Weise bestreiten oder relativieren zu wollen, dient aus veganer Sichtweise auch das Eintreten für eine Landwirtschaft bäuerlicher Familienbetriebe mit Tierhaltung der Aufrechterhaltung der durch den Menschen gegenüber Tieren verübten Grausamkeiten, wobei ohnehin die große Mehrheit der Vertreter einer solchen Landwirtschaft in Wirklichkeit auf nahezu täglicher Basis Tierprodukte aus Massentierhaltungsbetrieben konsumiert, ob in der Nahrung, der Kleidung oder der Kosmetik.

Die Idealisierung bäuerlicher Familienbetriebe mit Tierhaltung übersieht die Instrumentalisierung des Tieres, dessen Lebenszweck durch seine Halter auf sein Fleisch, seine Eier und seine Milch reduziert wird. Verkannt wird die Sachlage, dass nicht eine echt fürsorgliche emotionale Beziehung zwischen Bauer und Tier herrscht, sondern eine Beziehung der kompletten Machtausübung des Menschen über das Tier - im Familienbetrieb letztlich genau so wie in der Massentierhaltung.

Der Artikel von Deborah Heath und Anne Meneley macht deutlich, dass die Idealisierung bäuerlicher Landwirtschaft nicht nur für die Legitimation der Freilandhaltung angeblich glücklicher Hühner, sondern sogar zur schwärmerischen Verklärung der Foie Gras Produktion und damit eines Exzesses menschlicher Grausamkeit gegenüber den Tieren genutzt werden kann.

Quelle:

Heath, D., Meneley, A. (2010) The Naturecultures of Foie Gras: Techniques of the Body and a Contested Ethics of Care. Food, Culture and Society: An International Journal of Multidisciplinary Research, 13 (3): 421-452

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