Steht der Veganismus politisch links?
Der ethische Veganismus strebt eine gesellschaftliche Struktur an, in der Ausbeutung und Tötung von Tieren für den menschlichen Konsum der Vergangenheit angehören. Tieren sollen Rechte zugewiesen werden, die gewährleisten, dass ihre körperliche und psychische Integrität durch den Menschen - außer in Notwehrsituationen – nicht in Frage gestellt wird.Der Veganismus stellt insofern die speciesistische Norm in Frage und möchte die bestehende gesellschaftliche Struktur grundlegend zum Wohle der Tiere verändern.
Obwohl der ethische Veganismusden Verzicht auf den Konsum tierischer Produkte betont, ist er nicht ausschließlich auf die Tiere und ihr Wohlergehen bezogen. Als eine ethische Ausrichtung, die vor allem auch das den Tieren zugefügte Leid beenden möchte, steht der Veganismus notwendigerweise ebenfalls an der Seite derjenigen Menschen, denen durch die Gesellschaft psychisches oder physisches Leid zugefügt wird. Denn wenn das Wohlergehen der Tierezu gewährleisten ist, so gilt dies natürlich ebenso für den Menschen, der sich über die Tiere stellen mag, in Wirklichkeit aber doch ebenso ein Säugetier ist.In diesem Sinne steht der Veganismus für das Ziel einer weltweiten gesellschaftlichen Struktur ein, die alles unternimmt, um Menschen und Tieren kein Leid zuzufügen und ihre psychische und körperliche Integrität zu achtenEs geht dabei aber nicht nur um die Vermeidung von Leidzufügung, auch wenn dies vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftliche leiderzeugenden Praktiken im Vordergrund steht, sondern ebenfalls um aktive Hilfeleistung durch Aktivierung altruistischer Handlungsweisen gegenüber Mensch und Tier.
Der ethische Veganismus lässt sich von daher als Teil der politischen Linken einordnen, da er sich als eine fortschrittliche Bewegung versteht, die die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse anstrebt, um die Position derjenigen menschlichen und tierischen Subjekte grundsätzlich zu verbessern, die gegenwärtig Ausbeutung und Unterdrückung ausgesetzt sind. Der Veganismus stellt eine Erweiterung klassischer linker Positionen dar, indem er nicht allein den Menschen, sondern auch die Tiere als zu berücksichtigende Subjekte hervorhebt.
Während die grundsätzliche Verankerung des ethischen Veganismus im politisch linken Spektrum wohl unstrittig sein dürfte, bedeutet dies nicht, dass sich konkrete Veganer auch als politisch links verstehen. Derzeit mangelt es hier an wissenschaftlichen Untersuchungen, wobei durchaus erhebliche interindividuelle Unterschiede zwischen vegan lebenden Personen hinsichtlich ihrer Eigenlokalisation auf dem links-rechts-Spektrum zu erwarten sind.
Insbesondere für sogenannte „Ernährungsverganer", die teilweise von unseren Medien sogar als neuer Typ von Veganer bezeichnet werden, ist die Einordnung als politisch links nicht selbstverständlich, weil hier der Fokus weniger auf dem Wohlergehen anderer (d.h. der Unterdrückten), als auf der eigenen Person liegt. Es werden Werte von Aussehen, Fitness, Coolness, sexueller Potenz und Gesundheit in den Vordergrund gestellt, die dem Mainstream Denken entsprechen. Oft wird auch eine Abgrenzung von Personen, die aus ethischen Gründen vegan leben, vorgenommen und es wird die Konformität mit der gegenwärtigen Gesellschaft und die durch sie erhaltene Anerkennung positiv als bedeutsam bewertet.
Es wäre sicherlich interessant, Studien zum Vergleich der politischen Einstellungen von ethischen Veganern und Ernährungsveganern durchzuführen, die aber derzeit noch komplett fehlen, so dass die Hypothese, dass Ernährungsveganer politisch weiter rechts oder weniger stark links stehen als ethische Veganer derzeit zwar plausibel erschieeen mag, aber doch als spekulativ zu bewerten ist.
Demgegenüber liegt jedoch eine bereits etwas ältere Untersuchung zum Vergleich der politischen Einstellungen von ethisch motivierten Vegetarier und Veganern mit Fleischessern vor, gemäß derer sich ethisch motivierte Veganer und Vegetarier tatsächlich durch eine geringere Ausprägung in recht gerichtetem autoritären Denken sowie in hierarchiebezogenem sozialen Dominanzstreben kennzeichnen (siehe Wilson, Hung, [&] Dunn, 2000). Diese Befunde stützen auf der individuell-empirischen Ebene die aus theoretischen Erwägungen heraus anzunehmende Verankerung des Veganismus als Teil der linken Bewegung, weisen aber gleichzeitig auf eine einstellungsbezogene Ähnlichkeit zwischen Veganern und Vegetariern hin.
Quelle:
Allen, M.W., Wilson,M., Hung, S. H., [&] Dunn, M . (2000) Values and beliefs of vegetarians and omnivores. Journal of Social Psychology, 40 (4): 405-422.