“Kein Fleisch macht glücklich” – Autor Andreas Grabolle im Interview

“Kein Fleisch macht glücklich” – Autor Andreas Grabolle im Interview

Andreas Grabolle hat sich auf den Weg der Entstehung des Fleisches, welches wir essen, gemacht. Er hat dabei mit Menschen gesprochen, die an diesem Prozess beteiligt sind, sich von ihm abwandten oder ihm seit jeher kritisch gegenüber stehen.

Selbst in seinem Essverhalten schwankend - Flexitarier, Bio-Fleisch-Konsument, Pescetarier, Vegetarier - gelangte er auf diesem Weg schließlich zur veganen Lebensweise. In seinem vom VEBU prämierten Buch "Kein Fleisch macht glücklich" schildert er seine Beobachtungen und Eindrücke und begründet seinen Standpunkt.

Im Interview mit Vegan.eu erzählt Andreas über sein Buch und plädiert für eine ethisch fundierte Entscheidung für den Veganismus. Er tritt aber auch dafür ein, Menschen, die noch Fleisch essen, dort abzuholen, wo sie stehen, sie mit pflanzlichen Lebensmittelalternativen vertraut zu machen und ihnen dadurch die Entscheidung für einen Ernährungswandel zu erleichtern.

Interview mit Andreas Grabolle

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Du hast das Buch " Kein Fleisch macht glücklich" geschrieben. Bitte erzähle uns etwas darüber, worum das Buch geht, wie du dazu kamst und wie du recherchiert hast?

Mit dem Buch möchte ich jedem ermöglichen, sich ein fundiertes Bild über die Ernährung mit oder ohne Fleisch, Wild, Fisch, Milch und Eiern zu machen und eine wohlbedachte Entscheidung zu treffen. Dazu gehört nicht nur ein umfassender Blick auf die Tiernutzung zu „Ernährungszwecken“ in Deutschland einschließlich Fischerei und Jagd. Auch die psychologische und die philosophischen Sichtweisen auf das Töten von Tieren, die Folgen des Konsums von Tierprodukten für die Umwelt und die öffentliche wie persönliche Gesundheit habe ich in eigenen Kapiteln beleuchtet. Und schließlich geht es auch um das eigene Handeln, wobei ich niemandem was vorschreiben kann, sondern nur vorleben und vorschlagen. Entsprechend habe ich im Buch meine eigene Ernährungsbiografie und meine persönlichen Erfahrungen während der Buchrecherche verwurstet. Und ich lasse viele andere, Laien wie Experten, zu Wort kommen. Manches, was ich gehört oder erlebt habe, war erschreckend, einiges auch rührend, bizarr oder lustig. Und um die Vorbehalte gegenüber einer veganen Ernährung weiter zu senken, sind ausführliche Ernährungshinweise und sogar ein paar Rezepte drin.

Die Idee zum Buch hatte ich schon Anfang 2008. Da war mir auf dem Weg zu einem vegetarischen Schnellimbiss plötzlich klar, dass ich als Biologe, Wissenschaftsjournalist und Klimaschützer, der eigentlich gern Fleisch isst, aber seit Jahren mehr oder weniger darauf verzichtet, ein Buch über das Fleischessen schreiben sollte. Und als die Ernährung meiner im selben Jahr geborenen Tochter ein Thema wurde, war ich ausreichend motiviert, damit anzufangen.

Besonders wichtig waren mir bei der Recherche wirklich gute Quellen für die Fakten und die Meinungen von ganz unterschiedlichen Experten. Die eigenen – zum Teil schrägen Erlebnisse und die verschiedenen Positionen von meinen Interviewpartnern haben das ganze Unterfangen und offenbar auch das Buch sehr unterhaltsam gemacht.

Was hast du in den Masthöfen, bei den Biobauern und bei den Jägern erlebt, die du kennen gelernt hast? Wie haben diese Erfahrungen deine Sichtweise auf die Stellung des Tieres und die Nutztierhaltung geprägt?

Ich habe eine sehr große Bandbreite erlebt, wie Menschen auf Tiere blicken und wie sie sich ihnen gegenüber verhalten – von der rein wirtschaftlichen Produktionseinheit über verschiedene Abstufungen des Respekts bis hin zur Freundschaft. Ein Bauer hat etwa freundschaftliche Beziehungen zu seinen fast freilebenden Rindern, sieht aber – obwohl es ihm schwerfällt – keine Alternative dazu, regelmäßig welche von ihnen auf der Weide zu erschießen. Es gibt ja erstaunlich viele Menschen, die Nutz- oder Wildtieren Leid ersparen wollen, aber nicht den frühzeitigen Tod. Das fühlt sich für mich nicht richtig an. Ein anderer Bauer hingegen hat einen Lebenshof gegründet und lebt vegan, weil er inzwischen jede Tiernutzung ablehnt. Da ich selbst seit vielen Jahren Freundschaften mit Tieren kenne, entspricht mir diese Sicht am meisten. Ich versuche, sie als fühlende Lebewesen zu respektieren und sie nicht zu schädigen. Das macht eine wirtschaftliche Nutztierhaltung natürlich nahezu unmöglich.

Du bist im Verlauf der Recherche vom Flexitarier zum Veganer geworden. Hättest du nicht einfach auch Vegetarier werden können? Warum gerade vegan?

Pescetarier, also fischessender Vegetarier, war ich davor schon lange gewesen. Das war sehr alltagspraktisch, moralisch für mich allerdings eine Art Kompromiss. Ebenso meine Rückkehr zur „wöchentlichen Bio-Wurst“. Nach der intensiveren Beschäftigung mit Fischen und der Schlachtung von Tieren hatte ich dann tatsächlich eine sehr kurze echte vegetarische Phase. Dann kamen die Infos über Milchkühe und Legehühner und weil ich offenbar in Experimentierlaune war, habe ich schrittweise mit der veganen Ernährung begonnen. Da ich Tieren Leid ersparen will, ist der Veganismus für mich am befriedigendsten. Und weil ich es zunehmend einfacher fand, mich vegan zu ernähren, bin ich dabeigeblieben, inzwischen schon seit gut drei Jahren.

Gibt es für dich das eine wichtigste Argument für die vegane Lebensweise oder ergibt sich der Begründung aus der Vielzahl der Einzelargumente?

Für mich ausschlaggebend ist tatsächlich ein Argument: Ich finde, dass ich kein Recht habe, das Leben von Freud und Leid empfindender Lebewesen unnötigerweise erheblich zu beeinträchtigen oder zu beenden. Alle anderen Gründe reichen für mich nicht wirklich aus, um ganz auf Tierprodukte zu verzichten.

"Kein Fleisch macht glücklich" - was sagst du denn den Fleisch essenden Menschen, die überzeugt sind, dass sie Fleisch durchaus glücklich macht, oder dem Metzger, der stolz auf seinen Beruf ist?

Ich weiß, dass Fleischessen Menschen glücklich machen kann. Deswegen habe ich das im Schlusswort des Buches erwähnt. Ich kann verstehen, dass viele keinesfalls völlig auf Fleisch verzichten wollen. Aber auch diese Menschen können jeden Tag eine Entscheidung gegen den Konsum von Tierprodukten treffen und versuchen, ihre Ernährung ein Stück weit nachhaltiger, tierfreundlicher und gerechter zu gestalten.

Solange wir in einer Gesellschaft leben, die das Essen von Tieren richtig findet, verwundert es mich nicht, wenn Metzger stolz auf ihre „Arbeit“ sind. Wir müssen weiter für ein anderes Verhältnis zwischen Menschen und Tieren werben, dann ändert sich hoffentlich irgendwann die Sichtweise der gesellschaftlichen Mehrheit. Immerhin gibt es ja schon ehemalige Metzger oder Landwirte, die inzwischen keine Tiere mehr nutzen, töten oder verarbeiten.

Immer wieder wird die Evolution als Argument für den Fleischkonsum angeführt. Wir seien Jäger und Fleischesser, dies liege in der Natur des Menschen. Was ist deine Position hierzu?

Als Evolutionsbiologe hat mich diese Frage natürlich besonders interessiert. Wie viel Fleisch unsere Vorfahren in dem evolutionär relevanten Zeitraum gegessen haben und wie sie es sich beschafft haben, ist nach wie vor umstritten. Der Mensch kommt sowohl mit großen Mengen an tierischen Produkten zurecht, als auch ganz ohne. Er zeichnet sich gerade durch eine besondere Flexibilität in der Nahrungswahl wie in anderen Verhaltensweisen aus. Menschen können ja auch sehr aggressiv, aber ebenso friedlich sein. Beides steckt in unserer Natur und war vermutlich in der Menschwerdung vorteilhaft. Überhaupt ist die Natur in moralischen Dingen kein geeignetes Vorbild. Unsere Wertvorstellungen sollten wir möglichst unabhängig davon begründen.

Wie glaubst du können Menschen am ehesten zu der Einsicht gelangen, dass kein Fleisch glücklich macht? Was ist deiner Ansicht nach der effektivste Weg, um die vegane Lebensweise weiter zu verbreiten?

Das schrittweise oder gelegentliche Ausprobieren von pflanzlichen Alternativen, gerade in Situationen oder Bereichen, wo es nicht wirklich schwerfällt, halte ich für sehr erfolgsversprechend. So erfährt man die Vorteile und steht zunächst keiner Grundsatzentscheidung gegenüber. Diese schreckt ja viele erst mal ab. Damit die Menschen aber überhaupt motiviert sind, etwas an ihrer Ernährung zu ändern, sind Vorbilder und Aufklärung wichtig. Bei manchen funktionieren drastische Fakten oder Einzelschicksale besser, andere beeinflussen eher eigennützige Gründe oder ein bestimmter Lifestyle.

Du hast ja einen Preis des VEBU, also des Vegetarier-Bund Deutschland, für dein Buch erhalten. Der VEBU möchte Vegetarier und Veganer vertreten und betont eine gemeinsame Interessenslage. Wie siehst du die Beziehung zwischen Vegetarismus und Veganismus?

Ich sehe da keine strikte Trennung. Es gibt ja sehr viele ethisch motivierte Vegetarier und einige eher eigennützig motivierte Veganer. Sogar etliche Menschen, die noch Fleisch oder Fisch essen, teilen viele Ideale mit Veganern. Die praktische Umsetzung der eigenen Werte unterscheidet sich hier vor allem. Viele Veggies – mich selbst eingeschlossen – bestärkt die Identifikation mit einer Gruppe, andere wollen das gar nicht. Insofern empfinde ich diese Bezeichnungen als zweischneidig. Von einer demonstrativen Abgrenzung halte ich jedenfalls gar nichts.

Wie geht es dir denn selbst sozial und gesundheitlich als Veganer? Wie ist deine Lebenszufriedenheit?

Alles ist seither super! Nein, es gibt für mich weiterhin Auf und Abs wie vorher auch. Da spielt die Ernährung keine so große Rolle, auch wenn ich es meist genieße, mich gut, gesund und vegan zu ernähren. Meine Blutfettwerte sind allerdings wirklich super. Und seit ich mich so intensiv mit dem Thema Ernährung befasse, habe ich viele nette Menschen kennengelernt, nicht nur Veganer.

Was machst du sonst so im Leben? Gibt es weitere Projekte?

Im Moment bin ich recht oft unterwegs für Lesungen oder Vorträge und Seminare zu Ernährung, Nachhaltigkeit und Veganismus. Ansonsten texte ich und erstelle Konzepte zu den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit für unterschiedliche Auftraggeber. Zudem habe ich über meine Buchrecherchen das Projekt Halbzeitvegetarier kennengelernt, das ich inzwischen ehrenamtlich betreue. Damit wollen wir – ganz niederschwellig – neue Zielgruppen für die pflanzliche Ernährung begeistern. Und nebenbei versuche ich, mir mehr Zeit und Energie für private Aktivitäten zu gönnen. Das ist nicht ganz einfach, weil mich meine beruflichen Anforderungen und Ambitionen sehr in Beschlag nehmen.

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