DGE offenbar erstmals für Ernährungsempfehlungen für vegane Kinder
Aus einem gegenüber der veganen Ernährung einseitig-kritischem Bericht in der Welt ist positiv zu entnehmen, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) demnächst offenbar empfehlen wird, dass Kinder, die sich vegan ernähren, Vitamin B12 supplementieren und auch auf andere kritische Nährstoffe achten sollten. Damit bestätigt sich die bereits in einem vorherigen Artikel auf vegan.eu geäußerte Vermutung, dass die DGE dabei ist, gegenüber der veganen Ernährung eine konstruktivere Position einzunehmen. Zu hoffen ist, dass damit auch die Politik einiger Kindertagesstätten ein Ende finden wird, unter Verweis auf die DGE Kindern eine vegane Ernährung zu verweigern.
Allerdings werde man weiterhin von einer veganen Ernährung abraten, wird Pressesprecherin der DGE Antje Gahl zitiert. Eigentlich spreche man sich auch nicht für Nahrungsergänzungsmittel aus.
Die sich andeutende neue Position der DGE bleibt insofern zwar vegankritisch, dennoch ist ein schrittweise Wandel in die richtige Richtung erkennbar:
Erstmals wird die DGE offenbar anerkennen, dass Kinder vegan ernährt werden können. Sie wird wohl nicht mehr einfach fordern, Kindern stattdessen Tierprodukte zu geben, sondern sie wird veganen Eltern Hinweise geben, wie eine gesunde vegane Ernährung ihrer Kinder möglich ist. Die DGE scheint sich damit den wesentlich vegan-positiveren Positionen der großen angloamerikansichen ernährungswissenschaftlichen Vereinigungen anzunähern, die seit Jahren betonen, dass eine gut geplante vegane Ernährung für alle menschlichen Entwicklungsstufen geeignet sei und mit gesundheitlichen Vorteilen verbunden sein könne. Zu einer gut geplanten veganen Ernährung gehört selbstverständlich auch eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12. Wenn die DGE dies künftig ebenfalls deutlich macht, kann dies nur hilfreich sein. Denn Veganer, die ihre Vitamin B12 Versorgung vernachlässigen, schaden der eigenen Gesundheit oder der Gesundheit ihrer Kinder und bringen damit letztlich auch die vegane Ernährung in Verruf. Tatsächlich stützen sich nahezu alle kritischen Berichte über Gesundheitsschäden durch vegane Ernährung im Kindesalter auf Fälle, wo die Vitamin B12-Versorgung nicht gewährleistet war. Leider kommt die Vernachlässigung der Vitamin B12-Versorgung bei Veganern nach wie vor trotz aller Aufklärung noch viel zu häufig vor. Dies ist in der Tat ein Missstand, um deren Abstellung sich die vegane Community stärker bemühen sollte. Auch die DGE könnte hier hilfreich sein, wenn sie die Bereitschaft entwickelt - wie sich jetzt andeutet - auf Veganer zuzugehen, anstatt diese weiterhin auszugrenzen.
So begrüßenswert der langsame Wandlungsprozess der DGE auch ist, so deutet sich aus der Positionierung von Antje Gahl dennoch an, dass grundlegende Defizite (zunächst) fortbestehen werden:
-Gahl behauptet, die DGE spreche sich eigentlich nicht für Nahrungsergänzungen aus. Diese Behauptung widerspricht jedoch der Faktenlage. So empfiehlt die DGE allen Schwangeren die Supplementierung mit Folsäure und Jod. Wörtlich heißt es zur Folatversorgung auf den DGE-Seiten: "In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Folsäure um etwa 50 %. Der Nährstoff ist für Zellteilung und Wachstum des ungeborenen Kindes von Anfang an unentbehrlich. „Ausreichend Folsäure oder Folat schon zu Beginn der Schwangerschaft kann das Risiko für schwere kindliche Fehlbildungen um bis zu 70 % verringern“, erläutert Prof. Dr. Berthold Koletzko, Sprecher des wissenschaftlichen Beirats des Netzwerks. Allerdings erreichen selbst die meisten Nichtschwangeren (86 %) laut Nationaler Verzehrsstudie II die empfohlene Menge nicht. Frauen mit Kinderwunsch wird daher schon vor der Empfängnis und in den ersten 12 Schwangerschaftswochen empfohlen, zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung täglich mindestens 400 µg Folsäure/Folat (in Tablettenform) einzunehmen. Gute Quellen für Folsäure sind: Grüne Gemüse (Salat, Kohlsorten, Spinat), Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Obst."
- Die DGE scheint die vegane Ernährung weiterhin nur unter dem Blickwinkel eines Risikos für Nährstoffmängel diskutieren zu wollen. Gerade das Folatthema weist aber auf eine andere Perspektive: Es gibt Nährstoffe, die bei einer veganen Ernährung leichter als bei omnivorer Ernährung gedeckt werden können und umgekehrt. So zeigen beispielsweise mehrere Studien (siehe hier , hier, hier, hier und hier) eine ganz erheblich bessere Folatversorgung von Veganern. Dies wundert nicht, wenn die Sachlage, wo doch grünes Gemüse (Salat, Kohlsorten, Spinat), Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Obst gute Folatquellen sind.Indem die DGE so tut, als ob vegan generalisiert mit einer schlechteren Nährstoffversorgung verbunden wäre, verhält sie sich gegenüber der veganen Ernährung voreingenommen. Es wäre zu wünschen, wenn die DGE künftig sich stattdessen auf wissenschaftliche Befunde stützen würde. Diese besagen, dass es sowohl bei veganer als auch bei omnivorer Ernährung kritische Nährstoffe gibt, auf die besonders zu achten ist. Bei vegan ist dies beispielsweise das Vitamin B12, bei omnivorer Kost die Folsäure. In seiner Antwort auf eine Email-Anfrage von uns kündigte Prof. Heseke, der Vorsitzende der DGE,aber an, dass zur aktuellen Folatversorgung der Bevölkerung neue Daten erwartet werden und die DGE die Versorgungssituation der Bevölkerung (und von Teilkollektiven) mit Folat nach Vorliegen dieser neuer Daten erneut bewerten werde. Es wäre erfreulich, wenn hierzu dann auch im Sinne einer Gleichbehandlung aller Ernährungsformen der Hinweis gehören würde, dass Omnivoren im Durchschnitt ein wesentlich höheres Risiko für einen Folatmangel haben als Veganer.
Resümee
Insgesamt hat die DGE mittlerweile einen Weg der Annäherung an die vegane Ernährung eingeschlagen, auch wenn wohl noch Aspekte der Ungleichbehandlung und Parteilichkeit für eine Kost mit Tierprodukten bestehen bleiben werden. Weiterhin wird die DGE offenbar auch in einer sehr kurzsichtigen Betrachtungsweise die negativen Asuwirkungen der omnivoren Kost auf das Klima ignorieren und wohl ebenfalls wenig Verständnis gegenüber dem veganen Bemühen, Tierleid zu mindern, aufbringen. Auch lässt es die DGE sicherlich weiterhin unerwähnt, dass Omnivoren indirekt weitaus mehr Nahrungsergänzungsmittel und andere Zusatzstoffe aufnehmen als Veganer, da sie nämlich den Nutztieren in großer Menge verabreicht werden. Ebenso wird sie weiterhin den Zusammenhang zwischen dem, was auf die Teller kommt, und der weltweiten Bedrohung durch antibiotikaresistente Keime übersehen.
Immerhin aber scheint die DGE erstmals geneigt zu sein, die wissenschaftliche Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass eine gesunde vegane Ernährung auch von Kindern möglich ist. Bei allem berechtigten Ärger über die langjährige Diskriminierung veganer Eltern und ihrer Kinder durch die DGE und die verbleibenden Einseitigkeiten, sollte dieser Wandel der DGE-Position aus veganer Perspektive gewürdigt werden. Auf vegan.eu werden wir die neue Position der DGE ausführlich berichten und kommentieren.