Wer hat Vorurteile gegen Veganer?
Eine im Fachjournal Group Processes and Intergroups Relations veröffentlichte Studie untersuchte Vorurteile gegenüber Veganern und Vegetariern. Befragt wurden mehrere Hundert Amazon-Arbeiter. Im Folgenden stellen wir lediglich die aus unserer Sichtweise interessantesten Ergebnisse dar:
-Vorurteile gegenüber vegan lebenden Personen waren in der befragten US-amerikanischen Gruppe ebenso stark ausgeprägt wie gegenüber Immigranten, Asexuellen, Atheisten und sogar stärker ausgeprägt als gegenüber Schwarzen und Homosexuellen. Nur Drogenabhängige wurden noch negativer beurteilt.
-Vorurteile gegenüber Veganern, Immigranten, Asexuellen, Homosexuellen, Atheisten, Schwarzen und Drogenabhängigen waren ausnahmslos miteinander korreliert. Je stärker jemand also Vorurteile z.B. gegenüber Veganern zum Ausdruck brachte, desto eher brachte er ebenso Vorurteile gegenüber Immigranten, Asexuellen oder Schwarzen zum Ausdruck.
- Vorurteile gegenüber Veganern waren am stärksten ausfgeprägt bei Personen, die rechtsgerichteten Ideologien anhingen (Soziale-Dominanzorientierung, rechtsgerichteter Authoritarismus) oder (damit oft zusammenhängend) erhöhte Werte in der Skala Konservatismus aufwiesen.Personen mit rechtsgerichteten Ideologien gaben dabei beispielsweise an,weniger bereit zu sein, an Veganer oder Vegetarier zu vermieten oder Veganer zu beschäftigen. Anhänger rechtsgerichteter Ideologien vermieden zudem auch im sozialen Umfeld stärker den Kontakt zu vegetarisch oder vegan lebenden Personen. Auch Personen mit sexistischen Einstellungen oder einer starken Identifikation mit der omnivoren Eigengruppe (beides mit rechtsgerichteter Ideologie und Konservatismus assoziiert) äußerten gegenüber Veganern verstärkt Vorurteile.
-Veganer wurden negativer bewertet als Vegetarier. Der Veganismus wird demnach offenbar als eine stärkere Abweichung vom kulturellen Mainstream wahrgenommen und daher als größere Bedrohung bewertet.
-Vegetarische oder vegane Männer wurden negativer bewertet als vegetarische oder vegane Frauen. Dies konvergiert mit der klaren Korrelation zwischen Geschlecht und Fleischkonsum sowie Maskulinitätsstereotypien. Tatsächlich essen Männer wesentlich mehr Fleisch als Frauen. Zudem wird Fleischkonsum oftmals als Ausdruck von Maskulinität gewertet. Die negativere Bewertung veganer oder vegetarischer Männer entspringt insofern einem konservativen Geschlechterbild, welches Ähnlichkeit zu noch immer verbreiteten Macho-Allüren aufweist.
Die Studienergebnisse sind hochinteressant, weil sie belegen, dass Vorurteile gegenüber Veganern nichtisoliert zu betrachten sind, sondern mit allgemeineren gesellschaftlichen Einstellungen verbunden sind, die sich in Form von Vorurteilen gegen alle wenden, die in einem oder mehreren Merkmalen vom Mainstream abweichen oder diesen verändern wollen. Motiviert sind die Vorurteile dabei offenbar vorwiegend konservativ im Sinne des Strebens, überkommene Werte und Normen aufrechtzuerhalten.
Der Veganismus will eine grundlegende geselllschaftliche Veränderung und Umwälzung erreichen, die die gegenwärtige Basis der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion, des menschlichen Ernährungs- und Bekleidungsverhaltens sowie des Umgangs des Menschen mit den Tieren aufheben würde. Damit aber wird der Veganismus zum natürlichen Gegner jeden Konservatismus, der an Bestehendem festhalten will und Veränderung entsprechend als Bedrohung erlebt. Da es noch niemals eine vegane Gesellschaft gab, ist nämlich ein konservativer Rückbezug auf eine solche vegane Gesellschaft nicht möglich, schon gar nicht im christlich geprägten Kulturkreis, der sich traditionell durch einen der sich traditionell durch einen besonders hohen Fleischkonsum kennzeichnet.
Vorurteile gegen Veganer sind als eine konservativ-rechtsgerichtete Abwehrstrategie gegen gesellschaftliche Veränderungen und Umwälzungen zu bewerten. So wie sich Anhänger rechtsgerichteter Ideologie beharrlich gegen Geschlechtergleichheit, Aufhebung der Rassentrennung oder die Emanzipation von Homosexuellen wehrten (und dies latent weiterhin tun) und aktuell in ganz Europa und in den USA erfolgreich Fremdenfeindlichkeit schüren, so stellen sie sich auch entschieden gegen den Versuch einer gesellschaftlichen Veganisierung.
In Zeiten eines kollektiven fremdenfeindlichen Rechtsrucks ist für die nächsten Jahre in Europa mit einer Verschlechterung des Klimas für den Veganismus zu rechnen. Hierauf sollten sich Veganer durch ein enges Bündnis mit anderen Gruppen und Minderheiten, die gegen Vorurteile und Unrechtsstrukturen kämpfen, vorbereiten, um so solidarisch an der notwendigen Kehrtwende zu arbeiten.