Psychologische Studie: Fleischesser trennen Fleisch vom Tier

Psychologische Studie: Fleischesser trennen Fleisch vom Tier

Wie beeinflusst der Verarbeitungsgrad von Fleisch den gedanklichen/emotionalen Bezug zum zuvor getöteten Tier, die wahrgenommene Empathie und die Bereitschaft, das Fleisch zu essen?

Diesen Fragen haben sich in einer Serie von Experimenten der Psychologe Jonas R. Kunst aus Norwegen und die Psychologin Sigrid M. Hohle aus Dänemark gewidmet Die Befunde wurde soeben im Fachjournal Appetite veröffentlicht. Sie weisen, wie auch vorherige Befunde, darauf hin, dass Fleischesser beim Fleischessen eigentlich durchaus von ihnen selbst vertretene moralische Werte ausblenden.

Es ergeben sich ebenfalls interessante Implikationen für Strategien, um Fleischkonsum abzubauen und die vegane Lebensweise zu verbreiten. Die Ergebnisse sind geeignet, das sogenannten Fleisch-Paradox zu erklären:

Fleischesser essen gerne Fleisch, aber die möchten nicht, dass Tieren Leid zugefügt wird. Wie aber können sie beides miteinander verbinden?

Ein möglicher innerpsychischer Mechanismus ist der der Dissoziation. Wenn es Fleischessern gelingt, das Fleisch, welches sie essen, vom Tier, welches getötet wurde, zu dissoziieren (trennen), bleibt ihnen die Konfrontation mit unangenehmen Gedanken und Gefühlen erspart. Je besser ihnen dies gelingt, desto unbefangener können sie ihren Fleischkonsum fortsetzen.

Aber taugt diese Theorie tatsächlich für eine Erklärung. Nach den Befunden von Kunst und Hohle kann die Frage bejaht werden: In ihren Experimenten konnten sie u.a. folgende Beobachtungen statistisch signifikant absichern:

  • Das Bild eines Hühnergerichtes führt zu weniger Empathie und mehr Dissoziation vom Huhn als ein Bild von nicht verarbeiteten Hühnerteilen. Die Dissoziation zwischen dem Gericht und dem Huhn kann dabei die geringere Empathie erklären.
  • Das Bild eines gerösteten Schweines ohne Kopf führt zu geringerer Empathie, zu mehr Dissoziation und zu einer höheren Bereitschaft, das Fleisch zu essen, als das Bild eines gerösteten Schweines mit Kopf. Das Ausmaß der Dissoziation des Fleisches vom Tier erklärt dabei statistisch die geringere Empathie und die höhere Bereitschaft, das Fleisch zu essen
  • Werbung für Lammfleisch mit dem Bild eines lebenden Lämmchen führt zu mehr Dissoziation des Fleisches vom Tier und zu einer höheren Bereitschaft, das Fleisch zu essen, als Werbung ohne Bild mit lebendem Lamm.
    Texte, die von „Ernten“ von Kühen, statt von „Töten“ oder „Schlachten“ sprechen,führen zu weniger Empathie, mehr Dissoziation und einer größeren Bereitschaft, das Fleisch zu essen.
  • Je stärker Teilnehmer allgemein dazu neigten, Fleisch von Tieren zu dissoziieren, desto stärker ausgeprägt waren die Effekte.

Die Befunde legen nahe, dass Fleischkonsumenten auch im Alltag das Fleisch-Paradox dadurch auflösen, dass sie ihre Gerichte von den getöteten Tieren dissoziieren. So können sie das Fleisch genießen und sind gleichzeitig nicht mit dem Leid der Tiere konfrontiert.

Dieser Mechanismus der Dissoziation ist übrigens nicht nur geeignet, Fleischkonsum trotz dadurch erzeugtem Leid zu erklären, sondern er kann ebenfalls erklären, wie Soldaten im Krieg Menschen töten, die sie als Feinde von ihrem Menschsein dissoziieren. Gleiches dürfte für islamistischer oder fremdenfeindliche Terroranschläge gelten (zur Ähnlichkeit von Islamisten und Rechtspopulisten siehe eine psychologische Analyse in unserem Schwesterportal Menschenrechte.eu). Dieses Erklärungspotential der Dissoziation für Gewalt im Allgemeinen macht gleichzeitig noch einmal den Gewaltcharakter einer auf Fleischkonsum basierenden Ernährungsweise deutlich.

Als Gegenstrategie lässt sich ableiten, dass das lebendige und leidensfähige Tier bei Kampagnen gegen Fleischkonsum und für die vegane Lebensweise in den Vordergrund gestellt werden sollte.

Ein weitere wichtiger Anwendungsfall der Dissoziation dürfte im übrigen auch bei der vegetarischen Lebensweise liegen. Vegetarier haben bereits einen bedeutsamen Schritt unternommen, in der Regel, weil sie nicht wollen, dass Tiere leiden. Der Verzicht auf Fleisch entspricht dabei einer dezidierten Absage an das Töten.

Allerdings konsumieren Vegetarier weiterhin Eier und Milch, deren Produktion sie offenbar vom Tierleid dissoziieren.
In Wirklichkeit ist die Produktion von Milch und Eiern jedoch direkt mit der Tiertötungsindustrie verbunden. Die Hennen und Kühe, die die Milch und Eier produzieren, landen letztlich auf dem Schlachthof. Ihr Kälber werden von der Mutter getrennt, gemästet und geschlachtet, wenn sie Männer sind, oder zu neuen Milchkühen herangezogen. Küken werden sofort nach dem Schlüpfen nach Geschlecht ausgelesen und die männlichen Küken vergast oder zerschreddert.

Tatsache ist, dass grundsätzlich für ein Ei oder für Milch keine Tiere direkt und sofort getötet werden. Eier und Milch sind anders als Fleisch keine Bestandteile einer Tierleiche. Dies macht es vermutlich auch für betont tierliebe, empathische und reflektierte sehr viel einfacher, Milch und Eier von Tierleid zu dissoziieren, obwohl dies der Realität nicht entspricht.

Vegetarier haben aber bereits einen wesentlichen Schritt getan. Sie sind nach unseren Umfragen in großer Mehrheit aufgeschlossen gegenüber der veganen Lebensweise. Zudem sollten Veganer nicht vergessen, dass auch sie vor dem Veganismus in der Regel Vegetarier waren. Um so wichtiger ist es, Vegetarier (aber auch Fleischesser) nicht durch persönliche Angriffe und Verdammungen abzuschrecken, sondern sie durch eine sachlich rationale und emotional-empathische Argumentation für die vegane Lebensweise zu gewinnen.

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