Interview mit Johannes Herweg über den veganen Kinderladen “Mokita”
Im Interview berichtet Johannes Herweg über die Geschichte des veganen Kinderladens Mokita in Frankfurt am Main, die Herausforderungen und Erfolge.
Hintergrund
Trotz der positiven Auswirkungen der veganen Ernährung auf Umwelt, Klima und Gesundheit, ist es für vegane Familien nach wie vor eine Herausforderung, einen Platz in einem Kindergarten zu finden, der den Kindern eine vegane Verpflegung ermöglicht. Auch in anderen Bereichen berichten vegane Eltern in einer Umfrage von vegan.eu über immer wieder erfahrene Ablehnung, Kritik und Diskriminierung. Allerdings zeigte sich in dieser Umfrage ebenfalls, dass die meisten veganen Familien resilient sind und dennoch ihren Weg gehen.
Aktuell gibt es zudem Anzeichen, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu einer veganfreundlicheren Position gelangen könnte. Dies wäre ein enormer Schrittnach vorn für veganew Familien, deren Schwierigkeiten in der Gesellschaft sich nämlich zu einem großen Teil aus der vegankritischen Position der DGE ergeben.
Derweil gibt es bereits lange Pioniere, die sich für eine vegane Verpflagung von Kindern auch in den Kindertagesstätten einsetzen. Einer davon ist Johannes Herweg, der gemeinsam mit Mitstreiter:innen den veganen Kinderladen Mokita in Frankfurt am Main gegründet hat.
Johannes Herweg - wie ein veganer Kinderladen funktioniert
Wie kam es dazu, dass Ihr Euren veganen Kindergarten gegründet habt? Könnt Ihr etwas mehr von den vorherigen Erfahrungen von Eltern und Kindern berichten, die den Anlass für die Gründung gaben?
Mokita Kinderladen ist eine Elterninitiative und wird ehrenamtlich durch den Verein Veggie-Kids e.V. getragen. Dieser wurde 2013 eingetragen und von einer Gruppe veganer Eltern gegründet, welche rund um 2011 erstmals Kinder bekommen haben. Wir alle standen vor dem folgenden Problem: Wie geht es mit unseren Kindern weiter, wenn sie in den Kindergarten kommen? Für mich persönlich Initialzündung war, dass bei der Suche nach einem Krippenplatz bei einer städtischen Krippe vegetarische Ernährung nur gegen ärztliches Attest möglich sein sollte. Wir alle haben ähnliche Erfahrungen gemacht und uns somit gesagt, dass wir es dann eben selbst in die Hand nehmen müssen. Dementsprechend haben wir den Verein gegründet, ein Gründungsseminar besucht und ein pädagogisches Konzept geschrieben.
Gab es viele Widerstände, denen Ihr Euch ausgesetzt saht? Dauern diese sogar an?
Es gab Widerstände. Vor allem über die Presse sowie die FDP im Ortsbeirat. Weiterhin durch eine Ärztin des Gesundheitsamtes. Wir waren deutschlandweit und auch international in der Presse. Mal mit sachlichen Artikeln und manchmal in reißerischen wie der Kolumne von Armin Himmelrath im Spiegel, welche damals sehr die Runde gemacht hat. Der HR hat nach Eröffnung versucht, Eltern beim Abholen abzupassen und durch unsere Eingangstür in den Kinderladen zu filmen. Mittlerweile ist aber totale Ruhe eingekehrt und es gibt eigentlich keine Berichte mehr über uns. Wir sind einfach ein ziemlich normaler (jedoch veganer) Kinderladen. Es gibt aber einfach keine Probleme über die man berichten könnte und damit Auflage/Aufmerksamkeit generieren könnte.
Habt Ihr Erfahrungen mit Politik und Medien gemacht? Wie verhalten sich diese gegenüber Eurem Konzept?
Mittlerweile neutral. Anfangs war es gerade für die konservativen Parteien natürlich schwierig sich zu uns zu verhalten. Nach fünf problemlosen Jahren beschäftigt sich die Politik und die Presse mit uns aber nicht mehr wirklich. Für Kindertagesstätten ist in Frankfurt das Stadtschulamt zuständig. Dort ist uns von Anfang an wohlwollend begegnet worden. Unser pädagogisches Konzept war von Anfang an gut und ist recht unmittelbar genehmigt worden. Weiterhin gibt es in Frankfurt (im Gegensatz zu bspw. Berlin) keine Regularien, welche einen Betrieb einer Kindertagesstätte mit veganem Essen unterbinden könnte. Uns wurden von Seiten des Stadtschulamtes keine Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil fühlen wir uns durch dieses gut unterstützt und beraten. Wir hätten im Grunde auch schon weit vor 2018 eröffnen können. Gescheitert ist es einzig an den Räumlichkeiten. Diese sind in Frankfurt einfach sehr schwierig zu finden (300qm+ sowie großes Außengelände).
In einer Umfrage von uns unter mehr als 900 Eltern von veganen Kindern berichteten diese über weit verbreitete Ablehnung und Diskriminierung. Ist dies auch Eure Erfahrung?
Ich kann dies nur aus meiner persönlichen Perspektive beantworten. Am Ende hat es durch die Immobiliensuche ja so lange gedauert, dass die Kinder der Gründergeneration alle nicht die Mokita besucht haben und wir uns anderweitig in öffentlichen Einrichtungen behelfen mussten. In Kindergarten, Grundschule und nun weiterführender Schule habe ich Ablehnung und Diskriminierung in Hinblick auf Veganismus nicht als offen oder konfrontativ erlebt. Faktisch hat diese aber trotzdem stattgefunden. Im Kindergarten mussten wir zusammen mit der Bezugserzieherin für unsere Tochter aus den Beilagenkomponenten notdürftige Menüs für unsere Kind zusammenstellen sowie für das Frühstück Lebensmittel mitgeben. In Grundschule und Gymnasium gibt es einfach nicht täglich veganes Essen in der Mensa. Alle paar Tage hätte man welches auswählen können. Die Qualität war aber meist so bodenlos, dass unsere Tochter es nicht essen wollte und darauf bestand und besteht selbst Essen mitzunehmen. Einzig gut geklappt hat es bei der Tagesmutter und zuletzt auf Klassenfahrt. Ablehnung haben wir also nicht unbedingt offen erlebt, sondern eher strukturell.
Ich glaube mittlerweile hat sich im Kindergartenbereich schon einiges verbessert und man hat eher die Chance vegetarisches oder veganes Essen über den Caterer zu bekommen. Trotzdem fahren viele vegane Familien mit ihren Kinder quer durch Frankfurt um sie bei uns betreuen zu lassen.
Wie würdet Ihr in wenigen Sätzen das Konzept Eurer Einrichtung beschreiben?
Wir sind ein offen arbeitender Kinderladen, welcher sich an der Reggiopädagogik orientiert. Wir streben danach inklusiv zu arbeiten. In der Mokita wird täglich frisch und vegan gekocht. Weiterhin wird der Veganismus in unserer Pädagogik mitgedacht. Sämtliche Einkäufe der Mokita sind vegan - also auch Ausstattungs- und Verbrauchsmaterial. Wir führen keinen Bauernhof- oder Zoobesuche durch und achten auch darauf bei der Auswahl unserer Bücher, Lieder und Spiele darauf, den Kindern keine „Bauernhofromantik“ zu präsentieren, wie sie leider ja in vielen Kinderbüchern gegeben ist. In der Einrichtung wird weitgehend auf vorgegebenes Spielmaterial und Plastik verzichtet, so dass die Kinder mit den vorhandenen Materialien angeregt werden kreativ zu agieren. Kreativität steht in der Mokita allgemein stark im Fokus. So ist unser Atelier mit Malwand nach Arno Stern und einer Werkecke der zentrale Raum.
Wie läuft es seither bei Euch? Wie viele Kinder besuchen Eure Einrichtung. Was sind Eure Eindrücke und die Rückmeldungen der Eltern und Kinder?
Es läuft gut. Wir sind im Grunde ein Kinderladen mit den alltäglichen Problemen, welche andere Einrichtungen auch haben. Personalmangel, ausfallende Ausflüge… Das Thema Veganismus ist unproblematisch und eher in den Hintergrund gerückt. Meiner Erfahrung nach ist dies im Gegensatz zu den Anfangsbefürchtungen von Außen aber auch die kleinste Herausforderung beim Betreiben einer Kindertagesstätte. Der Kinderladen wird von 40 Kindern besuchen. Ein großer Teil der Familien lebt daheim omnivor und vegetarisch. Neben dem wichtigen Aspekt Platz für vegane Familien in Frankfurt zu sein, ist die Mokita im Moment auch einfach ein beliebter Stadtteilkindergarten. Es werden aber zunehmend mehr vegan lebende Familien. Diesen Sommer werden wir wohl erstmals mehr vegan als omnivor lebende Kinder aufnehmen. Ich denke hier spiegelt sich nun wieder, dass vegan zu leben immer mehr Normalität in der Gesellschaft wird und langsam auch immer mehr vegane Familien gegründet werden. 2011 werde ich wohl nahezu alle vegan lebenden Familien in Frankfurt persönlich gekannt haben. Das bin ich heute weit von weg.
Wie sieht die Verpflegung der Kinder bei Euch aus?
Wir haben einen vegan lebenden, professionellen Koch. Es wird jeden Tag frisch und mit sehr hohen Bio-Anteil gekocht. Wir stellen alle Lebensmittel für Frühstück, Mittagessen und Snack. Menübeispiele findet man auf unserer Homepage.
Im Rahmen einer Bachelorarbeit eines Studenten der Uni Gießen wurde unser Essen auch schon einmal untersucht und ausgewertet. Mit sehr positiven Ergebnissen.
Stammen alle Kinder aus veganen Familien oder wie ist die Zusammensetzung? Gibt es bei Euch auch Kinder, die zu Hause Fleisch essen?
Im Moment ist noch der Großteil der Familien omnivor lebend. Wie obenan beschrieben werden es aber immer mehr vegan lebende Familien.
Wie vermittelt Ihr den Kindern die vegane Ernährung und wie reagieren diese darauf?
In der Mokita wollen wir den Kindern nicht explizit vegane Ernährung vermitteln. Klar soll die Mokita zeigen, dass es problemlos möglich ist vegan zu leben. Dies aber eher implizit. Wir wollen keinesfalls daheim omnivor lebende Kinder in Konflikt zu ihren Familien bringen. Dementsprechend gibt es in dem Sinne keine Angebote, bei denen Kindern explizit vermittelt wird warum Veganismus wichtig ist und welches Tierleid aus Fleisch- oder Milchkonsum erwächst. Dass es bei uns leckeres, frisches, veganes Essen gibt, ist halt einfach so. Es ist ja auch nicht bei den omnivor lebenden Familien so, dass die unfreiwillig bei uns landen. Sie kommen ja, weil sie unser Konzept gut finden und damit sympathisieren. Dementsprechend reden auch diese Eltern mit ihren Kinder daheim. Kinder im Alter 3-6 hinterfragen bei Mahlzeiten auch nicht wie Erwachsene ob etwas vegan wäre oder nicht. Im Endeffekt wird sich eher daran erfreut frisches und leckeres Essen eines Kochs zu bekommen, welchen man beim Kochen sogar beobachten kann.
Warum ist die vegane Ernährung von Kindern wichtig? Was sagt Ihr zu kritischen Stimmen, die eine vegane Ernährung von Kindern für Manipulation oder Zwang halten?
Vegane Ernährung ist immer mehr Realität in der Breite der Gesellschaft geworden. Der Anteil vegan lebender Familien wächst und dementsprechend auch der Bedarf an Betreuung. Für diese Familien und Kinder ist es wichtig, dass die Kinder an ihren Betreuungsorten gute Optionen fürs Essen haben und nicht nur aus Beilagen notdürftig Menüs zusammengeschustert werden. Seit jeher wachsen Kinder mit den Essenskonventionen auf, welche in der eigenen Familie gelten. Zumeist waren diese vor allem religiös vorgegeben. Durch verändertes gesellschaftliches Bewusstsein für Tierethik, Bedeutung von Lebensmittelprouktion im Hinblick auf den Klimawandel und Gesundheit, verändern sich Ernährungskonverntionen in Familien zunehmend. Dem muss gesellschaftlich Rechnung getragen werden um Kinder nicht auszuschließen und vor allem auch sicher zu stellen, dass diese auch in der betreuten Zeit ausgewogene Verpflegung erhalten. Dies ist durch den Wandel der letzten Jahre problemlos möglich geworden und schlägt sich mittlerweile sogar in den veränderten DGE-Empfehlungen zaghaft nieder.
Brauchen wir mehr vegane Kindergärten? Wisst Ihr von Initiativen aus anderen Städten? Wäret Ihr für einen Austausch bereit?
Ich persönlich würde sagen ja. Am schönsten wäre es natürlich, wenn den Bedürfnissen vegan lebender Familien in jeder KiTa ausreichend Rechnung getragen würde. Meines Ermessens braucht es dafür aber erst mal noch mehr vegane Kitas als „Leuchtturmprojekte“ um zu zeigen wie einfach dies eigentlich möglich wäre. Wir wissen von den Erdlingen in München, der Schönhof12 in Frankfurt und mehreren Gründungsinitiativen, mit denen wir im Austausch sind. Carmen Hercegfi wollte auch in Hamburg die vegane Kita Yokita gründen. Da habe ich aber aus den Augen verloren was daraus geworden ist. Für Austausch und Vernetzung sind wir gerne zu haben Wir werden auch immer wieder von Gründungsinitiativen angefragt und versuchen so gut wie möglich zu helfen. Durch die regional unterschiedlichen Zuständigkeiten und Genehmigungsverfahren ist dies aber eher mit allgemeinen Ratschlägen möglich.
Herzlichen Dank für dieses Interview