Was unterscheidet Veganer von Vegetariern?
Es gibt weitaus mehr Vegetarier als Veganer, die im Gegensatz zu Veganern lediglich auf den Konsum von Fleisch und Fisch, nicht aber auf den Konsum weitere tierischer Produkte, wie Eier und Milch, verzichten. Nach der Nationalen Verzehrstudie II aus dem 2008 gibt es ca. 16 mal mehr Vegetarier als Veganer (1,6% versus 0,1% Anteil an der Gesamtbevölkerung der BRD), wobei der Vegetarier-Anteil allerdings etwas überschätzt sein dürfte, weil der Konsum von Fisch nicht ausgeschlossen wurde. Eine neue Umfrage des Greenpeace Magazin schätzt den Anteil der Vegetarier aber auf mittlerweile 3%. Möglicherweise ist dies bereits Ausdruck eines Trends zu mehr Fleischverzicht und die Daten der Nationalen Verzehrstudie II sind mittlerweile zu pessimistisch.
Neben gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Gründe spielen - ähnlich wie beim Veganismus - auch für den Vegetarismus ethische Motive eine herausragende Rolle. Dabei wird bewusst auf Fleisch und Fisch verzichtet, weil beide nur durch die Tötung von Tieren, die abgelehnt wird, erzeugt und konsumiert werden können.
Indem sie sich beide mit ihrer Ablehnung des Fleischkonsums gegen die offensichtlichste mit der Tötung von Tieren verbundene Produktart wenden, weisen die vegetarische und die vegane Lebensweise eine wichtige Gemeinsamkeit auf. Beiden gemeinsam ist auf individueller Ebene entsprechend der bewusste Verzicht auf ein ernährungsbezogenes Alltagsprodukt, dessen routinemäßiger Konsum Kindern bereits ab ihrem frühesten Lebensalter beigebracht wird.
Gemeinsam verweisen Veganismus und Vegetarismus auf die moralische Problematik der Tiertötung für eigene Konsumbedürfnisse und tragen dadurch für eine Sensibilisierung der Gesellschaft für diese Thematik bei. Beiden gemeinsam ist zudem die Forderung an das Individuum, nicht erst gesellschaftliche Veränderungen abzuwarten, sondern durch sein eigenes Verhalten sich unmittelbar von der Fleischgesellschaft zu distanzieren und mit gutem Beispiel voran zugehen.
Auf der zwischenmenschlichen Ebene verbinden diese übergeordneten Gemeinsamkeiten Veganer und Vegetarier, die sich insofern – jedenfalls wenn beide ethisch motiviert handeln – näher sind als Veganer oder Vegetarier mit Fleischessern.
Den Gemeinsamkeiten steht allerdings gegenüber, dass Vegetarier sich zwar gegen die Tötung von Tieren wenden, aber weiterhin Tierprodukte konsumieren, die letztlich direkt (z.B. Leder) oder indirekt (z.B. Milch, Eier) mit der Tötung von Tieren verbunden sind. Die Verfügbarkeitsmachung von Milch und Eiern für den Konsum erfordert eine Tierhaltung, die – selbst bei optimaler Organisation – kaum jemals ohne Leiderzeugung möglich sein wird, in zunehmender Weise dann nicht, wenn allen Menschen auf der Welt ein Anspruch auf Milch- und Eierkonsum zugewiesen werden soll.
Der enge Zusammenhang zwischen Milch-, Eier- und Fleischproduktion besteht auch darin, dass am Ende die überwältigende Mehrheit der für Eier- und Milchproduktion genutzten Tiere nicht an Altersschwäche versterben, sondern geschlachtet und danach zum Konsum der fleischessenden Bevölkerung zur Verfügung gestellt wird. Mit dem Konsum von Eiern und Milch wird diese inhärente, arbeitsteilige Beziehung mit der Fleischerzeugung inhaltlich genutzt und monetär gefördert.
Bei eigentlich - sofern ethische Aspekte handlungssteuernd sind – vergleichbarem Motiv liegt die Hauptdifferenz zwischen Veganern und Vegetariern in der höheren Konsequenz und Folgerichtigkeit, die dem Handeln der Veganer im Vergleich zum Handeln der Vegetarier zugrunde liegt. Veganer erbringen eine höhere Verzichtsleistung, erbringen damit aber gleichzeitig einen erheblich größeren Modell-Beitrag für die Beseitigung vermeidbaren tierischen Leidens als Vegetarier. Belohnt werden sie dafür mit einer geringeren inneren Dissonanz zwischen ihren Grundüberzeugungen und ihrem tatsächlichen Handeln.
Die Beziehung zwischen Vegetariern und Veganern ist auf einer allgemein-abstrakten Ebene notwendigerweise durch ein Spannungsverhältnis charakterisiert, wie es grundsätzlich auch in ähnlicher Form zwischen Vegetariern und Veganern auf der einen Seite und Fleischessern auf der anderen Seite besteht. Grund hierfür ist, dass die Vegetarier Produkte konsumieren, deren Konsum aus veganer Sichtweise moralisch nicht vertretbar ist.
Ohne die Differenz zwischen Vegetarismus und Veganismus leugnen oder kaschieren zu wollen, sollten die Gemeinsamkeiten nicht übersehen werden. Insbesondere sei es den Veganern auch in Erinnerung gerufen, dass die große Mehrheit von ihnen zunächst Fleischesser und später Vegetarier gewesen sind, bevor sie zu einer veganen Lebensweise gefunden haben.
Vegetarismus mag insofern aus veganer Sichtweise am ehesten als ein noch nicht konsequent genug ausgerichteter, aber doch in die gewünschte Richtung orientierter Schritt zu bewerten sein, der den nächsten Schritt zu einer konsequent veganen Lebensweise erleichtert und bei entsprechender Informiertheit und Motivation auch wahrscheinlicher macht. Insofern gilt auch, dass es aus veganer Perspektive zu begrüßen ist, wenn Fleischesser zu Vegetariern werden, auch wenn es noch mehr zu begrüßen ist, wenn sie Veganer werden, während es umgekehrt zu bedauern ist, wenn ein Vegetarier erneut zum Fleischesser oder ein Veganer erneut zum Vegetarier oder sogar zum Fleischesser wird.