„Fleisch nur aus “artgerechter Haltung“ und weitere flexitarische Illusionen
Fleisch wächst nicht auf Bäumen und kann nicht ohne Blutvergießen gewonnen werden. Fleisch stammt von leidensfähigen Wesen, deren Leben beendet wird, damit ihnen das Fleisch entnommen werden kann. Es stammt von ganz ähnlichen Wesen, die Millionen Menschen als Haustiere nicht selten über alles lieben und wie Familienangehörige behandeln.
Letztlich kennt nahezu jeder dieser Fakten und letztlich gibt es kaum jemanden, der das Töten von Tieren, um sie zu essen, nicht mindestens als ein gewisses moralisches Problem erlebt. Nur eine Minderheit erachtet Tiere als Automaten, mit denen nach Belieben verfahren werden kann.
Menschen, die vegan leben, wollen dies Problem lösen, indem sie auf Fleisch verzichten. Flexitarier oder Teilzeitvegetarier versuchen hingegen, dem Problem zu begegnen, indem sie nicht den Konsum von Fleisch einstellen, sondern ihn reduzieren und auf die Herkunft des Fleisches achten. "Bio-Fleisch", "Fleisch aus artgerechter Haltung" oder "nur vom Metzger des Vertrauens" sind die Begrifflichkeiten, mit denen der eigene Fleischkonsum als ethisch vertretbar gedeutet wird.
Die Basis dieser flexitarischen Argumentation ist jedoch illusionär. Denn Bio-Fleisch, Fleisch aus angeblich artgerechter Haltung oder vom Metzger des Vertrauens wächst ebenfalls nicht auf Bäumen, kann nur durch Blutvergießen gewonnen werden und ist mit dem Leid von Tieren verbunden. Es geht um Tiere, die nicht grundlegend anders sind als der geliebte Hund oder die geliebte Katze, für die eine hohe Tierarztrechnung gerne in Kauf genommen wird und die nicht verzehrt wird, sondern beerdigt wird.
Deutlich gemacht wird dies in aller Prägnanz durch die Bio-Anbieter selbst. So ist folgendes auf der Seite des „Bundes für ökologische Lebensmittelgewinnung"zu lesen.
"Bio-Legehennen werden dagegen normalerweise nicht älter als konventionelle Hennen. Auch im Bio-Landbau werden Hybrid hennen eingesetzt, deren Leistungsvermögen sehr hoch ist (» Frage 8). Mit einem Alter von ca. 1,5 Jahren sinkt ihre Legeleistung jedoch stark und sie werden geschlachtet. Nur einige wenige Öko-Betriebe halten die Tiere nach der Mauser noch etwa ein weiteres halbes Jahr. Daher ist eine längere Nutzungsdauer ein viel diskutiertes Zuchtziel für Öko-Hennen. Ob dies erreichbar ist, ist allerdings fraglich, denn entsprechende Zuchtaktivitäten sind schwierig und kostspielig …
Auch die Bio-Milchkuh wird im Durchschnitt nur wenig länger gehalten als die konventionelle Milchkuh. In der Schweiz konnte gezeigt werden, dass Maßnahmen der Bestandsbetreuung und Gesundheitsvorsorge durch die Milchviehhalter binnen relativ kurzer Zeit zu signifikanten Anstiegen der Nutzungsdauer führten. …
Insgesamt werden an Bio-Tieren weit weniger schmerzhafte Eingriffe vorgenommen als an konventionell gehaltenen und zudem wird den Tieren ein artgerechteres Leben geboten. …
Für Geflügel, das konventionell überwiegend in riesigen Ställen mit Zehn- bis Hunderttausenden von Tieren gehalten wird, gelten in der ökologischen Haltung Obergrenzen von 3.000 Legehennen bzw. 2.500 Puten pro Einheit“.
Nutzungsdauer ist der Begriff, der die Lebenserwartung von Tieren bezeichnet. Die Nutzungsdauer von Bio-Hennen und Milchkühen, so erfahren wir, ist nicht länger als die von konventionell gehaltenen Hühnern und Kühen. Denn wenn die Leistung abnimmt, ist die Nutzung nicht mehr effizient. Wer aber nicht mehr effizient ist, dessen Leben bringt nicht genug ein und daher besitzt er keinen Lebenswert.
Bei Bio-Tieren werden weniger schmerzhafte Eingriffe vorgenommen. Zu betonen ist das weniger. Kaufen wir also Bio-Fleisch, so kann dies durchaus von Tieren stammen, an denen schmerzhafte Eingriffe, wie die Entfernung der Hörner bei Kühen vorgenommen wurden.
Bio-Tiere werden nach der Eigendarstellung „artgerechter“ gehalten, nicht aber artgerecht. Das Attribut „artgerecht“ wird in der Werbung verwandt, dem Bio-Anspruch entspricht es aber nicht.
Kein Fleisch aus der Massentierhaltung? Hühner leben artgerecht in kleinsten Gruppen, in Bio-Ställen leben sie in Massen von Tieren, bis zu 3000 Tiere pro Herde sind erlaubt. Bio-Haltung ist also Massentierhaltung. Nur weil eine Masse kleiner ist, hört sie nicht auf, Masse zu sein.
Vom Metzger des Vertrauens? Prüft der Flexitarier die Betäubungseffizienz oder worauf verlässt er sich? Wissenschaftliche Befunde zeigen, dass es unmöglich ist, bei jedem Tier eine ausreichende Betäubung zu garantieren. Wer Fleisch isst, isst immer auch das Fleisch von Tiere, die bei vollem Bewusstsein aufgeschnitten wurden und in Qualen verendeten. Vielen unbekannt, weisen kleine Schlachtereien die höchsten Fehlbetäubungsraten auf, eben weil dort keine maschinelle Führung der Betäubung stattfindet und menschliche Fehler häufiger sind als technisches Versagen. Da aber fehlbetäubte Tiere in einen Zustand der Bewegungslosigkeit bei vollem Bewusstsein fallen können, kann der einzelne Schlachter dies nicht feststellen, geschweige denn der Flexitarier, der das Stück Fleisch an der Theke erwirbt oder im Restaurant verspeist.
Fleischproduktion bedeutet nicht artgerechtes Leben, sondern die Nutzung und Tötung von leidensfähigen Wesen. Leidfreie Haltungs- und Schlachtungsformen existieren nicht. Wer Fleisch isst, führt Tieren vermeidbares Leid zu. Denn wir können ohne die Produkte der Nutztierhaltung leben und schonen dabei noch die Umwelt, verbessern unsere Gesundheit und leisten einen Beitrag zur Verbesserung der weltweiten Ernährungssicherheit.
Der Flexitarier blendet diese Sachverhalte aus. Er erkennt das Problem, will es aber nicht lösen, sondern diskutiert es weg, indem er das Leid der Tiere bagatellisiert und tatsächlichen Tierschutz durch die verbale Akrobatik mit Begriffen, wie artgerecht, Bio, Metzger des Vertrauens oder glückliche Hühner ersetzt. Dabei zeigen die Statements der Bio-Halter und ihrer Verbände selbst, dass sie ihre Tiere weder leidfrei noch artgerecht halten, sondern sie als Produktionsmaschinen nutzen, deren Nutzungsdauer endet, wenn sie nicht mehr effizient sind.
Die Argumentation der Flexitarier, die meinen, ethisch verantwortbar leben und dennoch Tiere nutzen und töten zu können, ist nicht überzeugend. Flexitarier erkennen grundsätzlich die ethische Problematik der Fleischerzeugung, geben aber die falsche Antwort. Vegan zu leben, ist demgegenüber die folgerichtige Antwort auf die Erkenntnis, dass Fleischerzeugung und Leiderzeugung untrennbar miteinander verbunden sind.