Wer Fleisch isst, denkt eher rechts
Die meisten Veganer haben sich für die vegane Lebensweise aus ethischen Gründen entschieden. Sie streben eine Welt mit weniger Leid und Ungerechtigkeit an. So liegt die Vermutung nahe, dass Fleischkonsums - als das Gegenteil von Veganismus - mit Merkmalen einer rechtsgerichteten Ideologie assoziiert sein könnte. Diese Fragestellung ist mittlerweile auch wissenschaftlich untersucht worden, wobei die Befunde soeben im British Food Journal veröffentlicht wurden.
In der Studie wurden Fleischesser mit omnivorer Kost, Vegetarier und vegan lebende Probanden nach ihren politisch-gesellschaftlichen Grundeinstellungen befragt. Spezifisch wurde das Ausmaß rechtsgerichteter Ideologie im Hinblick auf die drei Dimensionen Authoritarismus, Vorurteile gegenüber Minderheiten und Bejahung sozialer Dominanz untersucht.
In der Ergebnisauswertung zeigte sich, dass Fleischesser die größte Neigung zum Authoritarismus aufwiesen, gefolgt von Vegetariern und Veganern, die den deskriptiv niedrigsten Wert erreichten. Dieser Effekt war bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen, war aber auch bei Frauen vorhanden. Insbesondere bei den Männern wiesen Fleischesser zudem die größte Neigung zu Vorurteilen gegenüber Minderheiten und Bejahung sozialer Dominanz auf, gefolgt von Vegetariern und Veganern, die wiederum die geringsten Werte erreichten. Auch bei den Frauen zeigten Fleischesserinnen die höchsten Werte bei Vorurteilen und Bejahung sozialer Dominanz, wobei dies bei den Frauen aber weniger prägnant war als bei den Männern.
Die Befunde weisen insgesamt darauf hin, dass vegetarisch und vegan lebende Personen gesellschaftlichen Authoritarismus eher ablehnen, weniger Vorurteile gegenüber Minderheiten haben und weniger bereit sind, soziale Dominanz zu akzeptieren. Diese Ausrichtung zeigt sich dabei bei vegan lebenden Personen noch deutlicher als bei vegetarisch lebenden Personen.
Authoritarismus, Vorurteile gegenüber Minderheiten und Bejahung sozialer Dominanz stellen wesentliche Komponenten einer rechtsgerichteten Ideologie dar, die sich bei Personen mit stark konservativer Haltung und noch stärker bei Rechtsradikalen und Rechtsextremisten findet.
Auf der politischen Handlungsebene zeigt sich dies beispielsweise darin, dass rechtsgerichtete Regierungen typischerweise besonders strikt gegen Flüchtlingen vorgehen, auf Law and Order Politik setzen und Eliten in erhöhtem Ausmaß Entscheidungsfindungsprozesse dominieren lassen. Interessanterweise sind es ebenfalls insbesondere, wenn auch nicht nur, konservative und rechtsgerichtete politische Kräfte, die die Nutztierhaltungsindustrie in hohem Ausmaß fördern und sich gegen eine Reduktion von Fleischkonsum und gegen die vegane Lebensweise wenden (siehe vorherigen Artikel auf vegan.eu über die niedersächsische CDU als Beispiel).
Vegan ist kein unpolitisches Konzept und lässt sich auch nicht aus dem rechts-links-Spektrum herausnehmen. Vielmehr steht der Veganismus mehrheitlich links und damit für das Streben, diese Welt gerechter, weniger leidvoll und solidarischer zu gestalten.
Zwar gibt es Versuche rechtsgerichteter Kreise, den Veganismus politisch zu vereinnahmen. Dies steht aber der Grundsatzidee des Veganismus entgegen, Lebensrechte und Schutzrechte sogar über die Artgrenzen hinweg auszudehen und sie keinesfalls einzuschränken. Dies unterscheidet den Veganismus im übrigen auch von der Euthanasielehre des Nicht-Veganers Peter Singer, der zwar Lebensrechte über die Arten hinweg ausdehnen, aber dafür für Individuen (Menschen wie Tiere) in Abhängigkeit von ihrer geistigen Leistungsfähigkeit beschneiden lassen will. Die Euthanasielehre Peter Singers ist insofern eine Gefahr nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern für alle Menschen und Tiere, denen auf der Basis dieser Lehre nach fragwürdigen und tatsächlich wissenschaftlich nicht zu sichernden Kriterien der Personen-Status aufgrund eines (angeblich) fehlenden Bewusstseins ihrer selbst abgesprochen wird. Die fälschliche Assoziation des Lehre des Nicht-Veganers Peter Singers mit dem Veganismus fügt dem Veganismus schweren Schaden zu, indem die vegane Lebensart wider alle Fakten mit einer tatsächlich partiell faschistoiden Euthanasielehre gleichgesetzt wird. Eine stärkere und auch öffentlichtkeitswirksame Solidarisierung von Veganern mit den Behinderten und ihren Unterstützern, die sich berechtigt als Opfer der Lehre Peter Singers sehen, wäre daher wünschenswert und notwendig. Umgekehrt sollten die Gegner Peter Singers verstehen, dass die Lehre Peter Singers nichts mit dem Veganismus zu tun hat, sondern dass Peter Singer als Nicht-Veganer eine Lehre vertritt, die den Grundprinzipien des Veganismus komplett widerspricht.
Jeder nationale oder gar völkische Bezug, aber auch der Bezug auf soziale Dominanzhierarchien und leiderzeugende Unterdrückungsmittel, steht im Gegensatz zur veganen Sache. Veganer sind nicht nur auf der Seite der Tiere, sondern ebenso auf Seiten der Menschen, die unterdrückt und ausgebeutet werden.
Ergänzt am 29.05.2015