Fleischesser: Angst vor Stigmatisierung ist Barriere gegen vegane Ernährung

Fleischesser: Angst vor Stigmatisierung ist Barriere gegen vegane Ernährung

Fleischesser und Vegetarier befürchten, bei einem möglichen Wechsel zur veganen Ernährung, durch ihre soziale Umgebung ausgegrenzt zu werden. Dies ist der Befund einer im Fachjournal Appetite kürzlich veröffentlichten Studie.

Nach der Eigeneinschätzung von Fleischessern und Vegetariern stellt diese befürchtete Stigmatisierung einen wesentlichen Grund dafür dar, dass sie nicht zur veganen Ernährungsweise wechseln.

Vorurteile gegen die vegane Lebensweise

Soeben hat ein englisches Gericht entschieden, dass vegan lebende Menschen aufgrund ihres Überzeugungs-Systeme unter den Schutz von Antidiskriminierungsgesetzen fallen. Dies bedeutet, dass Menschen wegen ihres Vegan-Seins nach dieser Gerichtsentscheidung ebenso wenig diskriminiert werden dürfen wie Menschen wegen ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder ethnischen Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität.

Das Urteil ist erfreulich, wobei weniger erfreulich ist, dass solche Urteile notwendig sind. Notwendig sind sie, weil die vegane Lebensweise sich - trotz ihrer enormen Vorteile für Tiere, Mensch und Umwelt - gesellschaftlich erheblicher Vorurteile und Diskriminierung ausgesetzt sieht.

So zeigte eine Befragung, dass Vorurteile gegenüber vegan lebenden Personen in dieser Gruppe ebenso stark ausgeprägt waren wie Vorurteile gegenüber Immigranten, Asexuellen, Atheisten und sogar stärker ausgeprägt als gegenüber Schwarzen und Homosexuellen. Nur Drogenabhängige wurden noch negativer beurteilt.

In einer Umfrage von vegan.eu unter 1071 vegan lebende Personen gaben lediglich 7,3 % der Befragten an, dass sie noch niemals im Alltag wegen ihrer veganen Lebensweise diskriminiert oder ausgegrenzt worden seien.

Diese Vorurteile zu überwinden, liegt nicht nur im Interesse der einzelnen, von Diskriminierung betroffenen Menschen, sondern liegt ebenso im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Denn Vorurteile und Diskriminierung können die Ausbreitung der veganen Lebensweise behindern und damit gesellschaftliche Verhaltensänderungen blockieren, die dem Tierschutz, dem Umweltschutz und der weltweiten Ernährungssicherheit dienen. Der brennende Amazonas und das brennende Australien machen dieser Tage wiederum deutlich, wie drängend eine solche Veränderung ist.

Die aktuelle im Fachjournal Appetite veröffentlichte Studie gelangte zu dem Ergebnis, dass Stigmatisierung veganen Lebensweise tatsächlich eine wesentliche Barriere für einen Verhaltenswechsel für fleischessende, aber auch vegetarisch lebende Personen ist.

Die Studie beruht auf Gruppendiskussionen zwischen veganen, vegetarischen und omnivoren Studenten. Bei der Analyse dieser Gruppendiskussionen wurden strukturell ähnliche Vorurteile von omnivoren und Vegetariern gegenüber der veganen Lebensweise deutlich.

Zudem berichteten nicht-vegane Gruppenteilnehmer, dass sie sich sozial von vegan lebenden Personen physisch und sprachlich distanzieren würden. Sie gaben gleichzeitig ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass eine entsprechende soziale Distanzierung auch ihnen gegenüber eintreten würde, falls sie zur veganen Lebensweise wechseln würden.

Interessanterweise entsprach diese Darlegung der nicht-veganen Gruppenteilnehmer den Erfahrungen, die die veganen Gruppenteilnehmer in die Diskussion einbrachten. Die veganen Gruppenteilnehmer erlebt also tatsächlich in ihrem Alltag diejenigen negativen Vorbehalte, die die nicht-veganen Gruppenteilnehmer berichteten.

Fleischesser und Vegetarier benannten als einen Grund dafür, nicht zur veganen Ernährung zu wechseln, die befürchtete Stigmatisierung. Gleichzeitig gaben sie an, dass ihnen ein Wechsel zur veganen Ernährung leichter fallen würde, falls es Stigmatisierung nicht gäbe.

Rechtsgerichtete Ideologie führt zu anti-veganen Vorurteilen

Rechtsgerichtete Ideologie kennzeichnet sich durch die unkritische Identifikation mit Autoritäten, die aggressive Abwertung/Abwehr von als nicht zur eigenen Kultur gehörig betrachteten Positionen und Personen, die Annahme der Überlegenheit der eigenen Kultur und das Streben nach sozialer Macht und Ungleichheit.

Rechtsgerichtete Ideologie tritt dabei in allen Kulturen auf, wobei sie sich dann jeweils gegen die anderen Kulturen wendet.

Zwei wesentliche Komponenten von rechtsgerichteter Ideologie sind nach wissenschaftlichen Untersuchungen Rechtsgerichteter Autoritarismus (Right-Wing Authoritarianism) und Soziale Dominanzorientierung (Social Dominance Orientation).

Rechtsgerichteter Autoritarismus bezieht sich auf kulturellen Traditionalismus, die unkritische Unterwerfung unter Autoritäten und Aggressivität gegenüber denjenigen, die diese Normen verletzen.

Soziale Dominanzorientierung kennzeichnet sich durch die Beanspruchung von Überlegenheit für die Eigengruppe (z. B. angebliche Überlegenheit der eigenen Kultur etc.) und ein Plädoyer für die Aufrechterhaltung von bestehenden gesellschaftlichen Überlegenheiten und Unterlegenheiten.

Beispielfragen, wie rechtsgerichteter Autoritarismus und Soziale Dominanzorientierung in wissenschaftlichen Studien erfasst werden:

Rechtsgerichteter Autoritarismus:
Gehorsam und Respekt vor Autorität sind die wichtigsten Tugenden, die Kinder lernen sollten

Soziale Dominanzorientierung
Gesellschaftlich schwächere Gruppen sollten an ihrem Platz bleiben

Im European Journal of Social Psychology wurden eine Studie öffentlich, die die Zusammenhänge zwischen all diesen Faktoren (gefährliche-Welt-Einstellung, Welt als Dschungel, rechtsgerichteter Autoritarismus, soziale Dominanzorientierung) und der Einstellung zur veganen Lebensweise untersuchte. Hierzu wurden 1326 Personen in Neuseeland befragt. Alle Befragten waren Fleischesser.

Im Ergebnis zeigte sich, dass überwiegend durchaus positive Einstellung zur veganen Lebensweise bestehen. Frauen zeigten dabei im Durchschnitt eine positiver Einstellung zur veganen Lebensweise als Männer. Auch wenn überwiegend eine positive Einstellung zur veganen Lebensweise bei den Befragten bestand, zeigten sich ebenfalls bei einigen Befragten negative Einstellungen.

Negative Einstellung zur veganen Lebensweise hingen nach den Berechnungen der Autoren dabei signifikant mit rechtsgerichtetem Autoritarismus und sozialer Dominanzorientierung zusammen, wobei beide wiederum positiv miteinander korrelierten, was für ein übergeordnetes Konstrukt der rechtsgerichtete Ideologie spricht.

Darüber hinausgehend fanden die Autoren, dass das Ausmaß an rechtsgerichteten Autoritarismus insbesondere von der sogenannten Gefährliche-Welt-Einstellung (z.B. "es geschehen immer mehr Verbrechen auf den Straßen") abhängt, während das Ausmaß von sozialer Dominanzorientierung durch die Einstellung "die Welt ist ein Dschungel, in dem alle im Wettbewerb zueinanderstehen" gefördert wurde.

Die Studie steht damit in Übereinstimmung zu vorherigen Untersuchungen, die beispielsweise zeigten, dass Menschen umso mehr Fleisch essen, je stärker sie rechte Ideologie vertreten, spezifisch im Sinne von rechtsgerichteten Autoritarismus und sozialer Dominanzorientierung.

Dies wiederum passt zu anderen Studienbefunden, gemäß derer die gleichen Personen oft Vorurteile  gegenüber vegan lebenden Menschen haben, die ebenfalls Vorurteile gegenüber anderen Völkern, Kulturen, Nationen, Hautfarben, Geschlechtern oder geschlechtlichen Orientierung haben.

Deutlich wird aus diesen Studienbefunden, dass der Veganismus nicht im politisch neutralen Raum verankert ist, sondern insbesondere von denjenigen abgelehnt und bekämpft wird, die sich auch in anderen Bereichen menschenverachtend, tierverachtend oder umweltverachtend positionieren. Dies gilt für den US-amerikanischen Präsidenten Trump und seine radikal-evangelikalen Unterstützer ebenso wie in Deutschland für die AfD oder in Australien für den rechtsgerichteten Ministerpräsidenten Morrison, der im Rahmen seiner Politik der Leugnung des Klimawandels in diesen Tagen weite Teile seines eigenen Landes, einschließlich bisher ca. 1 Milliarde Tiere, verbrennen lässt und im Übrigen ebenfalls für eine menschenfeindliche Politik gegenüber Flüchtlingen bekannt ist.

Leider bedeutet die Einordnung des Anti-Veganismus in das Feld der rechtsgerichteten Ideologie nicht im Umkehrschluss, dass linksorientierte Menschen automatisch vegan wären oder mindestens positive Einstellung gegenüber Veganern hätten:

Die überwältigende Mehrheit der vegan lebenden Menschen positioniert sich aber als politisch links stehend (siehe auch Umfrage von vegan.eu unter 707 vegan lebenden Personen).

Explizite Vegan-Feindlichkeit wird zudem von links stehenden Parteien oder Politikern nicht oder nur äußerst selten berichtet, ganz anders als beispielsweise von CDU/CSU oder AfD  in Deutschland, die sich beide vegan-feindlich präsentieren.

Wenn Vorschläge zur Verbesserung veganer Angebote in öffentlichen Containern oder zu fleischfreien Tagen kommen, werden diese ebenfalls nahezu immer von Parteien vorgetragen, die sich eher als politisch links verordnen.

Andererseits ist es aber dennoch Sachlage, dass die große Mehrheit auch der sich politisch links einstufenden Menschen weiterhin Fleisch isst, wenn auch im Durchschnitt deutlich weniger als Personen, die sich als politisch rechts bezeichnen.

Die alleinige Einordnung als politisch links genügt entsprechend nicht, um die vegane Bewegung voranzubringen. Umso wichtiger ist es für vegan lebende Menschen, gerade in politisch links stehenden Kreisen für den Veganismus zu werben, wo sie grundsätzlich eine wesentlich höhere Chance haben, auf offene Ohren zu stoßen, als bei politisch Rechten, die sich grundlegenden Werten von Mitgefühl und Empathie verschließen und daher weder für die vegane Lebensweise noch für andere Aspekte menschenwürdiger und tierwürdiger Politik zu gewinnen sind.

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