Fleischfreie Mensa Basel oder sind Veganer elitär?

Fleischfreie Mensa Basel oder sind Veganer elitär?

Nach langer Diskussion hat der Studierendenrat der Uni Basel beschlossen, dass es künftig in der Woche zwei fleischfreie Tage geben wird, sowie jeden Tag ein veganes Gericht, in der Stadt eine komplett fleischfreie Mensa und eine günstigere Salatbar. Diskutiert wurde vor der Abstimmung unter anderem über die mit Fleischkonsum und Nutztierhaltung verbundenen Schädigungen in Form von Waldrodungen, Klimawandel, Welthunger, Wasserverbrauch sowie über das Leid der Tiere.

Auch wenn der ursprüngliche Antrag auf komplett fleischfreie Uni-Mensas letztlich - nachdem dieser zuvor durch den Studierendenrat befürwortet worden war - doch abgelehnt wurde, ist der Kompromissein großer Erfolg für die Veganer und Veganerinnen mit ihrem Hauptprotagonisten Jens Hermes, die den ursprünglichen Vorschlag einer fleischfreien Mensa-Verpflegung in Basel vorgelegt hatten. Denn immerhin befasste sich der Studierendenrat von Basel intensiv mit den Thematiken der Tierausbeutung und Umweltzerstörung durch den menschlichen Fleischkonsum, nahm die Thematik ernst und gelangte zu einer Entscheidung.

Wenn diese Entscheidung in den nun folgenden Gesprächen mit der Verpflegungskommission durchgesetzt werden kann, wird sich die Situation für vegan lebende Studierende in Basel erheblich verbessern. Gleichzeitig dürften hierdurch andere Studierende angeregt und ermutigt werden, künftig ebenfalls wenigstens vegetarisch oder noch besser vegan zu leben. Nicht zu übersehen, ist auch die landesweite und über die Grenzen hinausgehende Signalwirkung.

Der Kommentator Michael Bahnerth der Basler Zeitung, der den Kompromiss im übrigen begrüßt, setzt sich allerdings kritisch mit der ursprünglichen Initiative auseinander und wirft den sich für die Initiative engagierenden Veganern und Veganerinnen eine neue Verbotskultur, Elitarismus, Fundamentalismus, religiöses Eiferertum und Lustfeindlichkeit vor.

Michael Bahnerth fragt sich, ob es vielleicht tatsächlich so sei, "dass es in Studentenkreisen gar keine andern Themen mehr gibt als die Ernährung der Studierenden. Keine großen Visionen oder großartigen Utopien mehr, sondern nur noch weltfremdes Kleinklein. Etwa, was korrektes Studentenfutter ist." Er fährt fort: "Aber wäre die Welt anders, wenn die Menschheit sich von Gemüse ernähren würde? Oder würde die Welt nicht [-]einfach um ein wesentliches Daseinshormon ärmer, nämlich das der Lust? Ein Individuum, das sich strikt vegan ernährt und fleischlose Köstlichkeiten wie etwa Käse aus moralisch-ethisch-ökologischen Gründen verschmäht, hat das Prinzip Lust als Mittel des Überlebens nicht begriffen. Ein bisschen Lauch an Mais-Sauce als Highlight zählt da nicht. So verwundert es nicht, dass die Veganer bei der Durchsetzung ihrer Religion nicht mit Toleranz [-]agieren und Grosszügigkeit, sondern mit dem Mittel des Verbots. Eine Taliban-Methodik."

Erhoben werden damit Vorwürfe, mit denen sich Veganer schon deshalb auseinandersetzen müssen, weil sie tatsächlich immer wieder gegen die vegane Lebensweise in Stellung gebracht werden.

Deutlich wird allerdings - aus diesem Kommentar wie auch typischerweise aus entsprechenden Einwürfen - dass diejenigen, die diese Vorwürfe gegen den Veganismus erheben, sich mit den substantiellen Argumenten für die vegane Lebensweise nicht auseinandersetzen und die Schäden des Fleischkonsums bagatellisieren. So ergeben sich als erstes zwei Gegenfragen:

Ist es "lustfeindlich", wenn das Leid und die Qualen, die wir Tieren für die Fleischproduktion aussetzen, vermieden werden sollen?

Ist es eine berechtigte Lustbefriedigung, wenn wir Produkte konsumieren, die als Hauptfaktor der weltweiten Walderosion bekannt sind, die ca. 70% unserer landwirtschaftlich nutzbaren Flächen belegen, weltweit das Wasser verschmutzen und auf der Basis der massenhaften Verfütterung von Soja-, Mais- und anderen Pflanzenprodukten an Tiere gewonnen werden, die den hungernden Menschen in dieser Welt fehlen?

Vermutlich würde kaum jemand diese beiden Fragen bejahen. Das Hauptproblem scheint insofern eine Uninformiertheit oder aber ein aktives Bagatellisieren der durch den Fleischkonsum erzeugten Schäden zu sein. Denn wenn die Schäden bekannt und anerkannt werden, dürfte es kaum vertretbar sein, die eigene Lustbefriedigung über das Leben der Tiere, der hungernden Menschen und der Intaktheit des Ökosystems unseres Planetens zu stellen.

Aber auch das die Behauptung, vegan lebende Menschen erlebten weniger Lust ist kritikwürdig. Denn sie fußt auf einem egozentrischen Denken, bei dem der fleischessende Kommentator, ohne auf ein Eigenerleben zurückgreifen zu können, meint, Aussagen über das Empfinden vegan lebender Menschen machen zu können. Hierbei vergisst er aber die Perspektive derjenigen Menschen zu berücksichtigen, die gerne vegan essen und sich Quellen von Lust, die nicht anderen zur Last werden, tagtäglich erschließen. Die Behauptung, dass Veganer weniger Lust erlebten, wird durch ihre Wiederholung nicht richtiger, sie ist empirisch komplett unbelegt.

Doch was ist von dem Vorwurf des Elitarismus zu halten?

Elitarismus wird gesellschaftlich weithin praktiziert und eingefordert. Vornehmlich verstehen sich wirtschaftliche und politische Entscheidungsträger als eine Elite, die angeblich gesellschaftlich erforderlich sei. Ihren selbst erklärten Elitenstatus lassen sich beispielsweise Manager und Konzernchefs gerne durch astronomische Gehälter, die sie von jeder Berührung mit der "Normalbevölkerung" befreien, vergüten.

Der Veganismus wendet sich demgegenüber gegen Unrecht und Ausbeutung. Der Veganismus strebt eine Gesellschaft an, in der Menschen aufhören, Mitglieder ihrer eigenen menschlichen Art oder anderer Arten auszubeuten, zu versklaven oder zu töten. Der Veganismus steht damit mehrheitlich politisch links und wendet sich gegen ein gesellschaftliches System, in dem selbsterklärte Eliten sich durch wirtschaftliche Macht und mit sich selbst geschlossenen Vereinbarungen zu Herrschenden über die anderen Menschen, die Tiere und die Natur erklären.

Vegan lebende Menschen sind eine Minderheit, aber nicht jede Minderheit ist elitär. Vegan lebende Menschen streben in Wirklichkeit keine elitäre, sondern eine egalitäre Gesellschaft an, in der allen Menschen genügend Ressourcen zur Lebensgestaltung zur Verfügung stehen und wir Menschen ebenfalls den anderen Arten das Recht zugestehen, dass wir - abgesehen von Notwehrsituationen- ihre physische und psychische Integrität achten.

So verbleibt nur noch der Vorwurf der Verbotskultur, den die Basler Initiative angeblich praktizieren wollte. Doch worum ging es?

Es ging um eine demokratisch legitimierte Entscheidung, wo sich eine mehrheitlich fleischessende Studentenschaft aus Einsicht in die Abgründe, die mit dem Fleischkonsum verbunden sind, zunächst dafür entscheiden wollte, wenigstens im Hinblick auf ihre Uni-Verpflegung mit gutem Beispiel voran zu gehen und den Schadstoff Fleisch aus dem Menü zu entfernen.

In der Gesellschaft sind wir daran gewöhnt, ganz andere Dinge zu verbieten. So dürfen keine Plakate in den Städten ohne Erlaubnis aufgehängt werden, obwohl diese Plakate sicherlich nicht so wie das Fleisch zur Zerstörung unseres Planetens und zur Erzeugung massenhaften Leides beitragen. Gleiches gilt für Graffiti. Warum sollte von daher ausgerechnet ein sich durch die Studierendenschaft selbst aufgelegtes veganes Essen in der Mensa als Ausdruck einer engstirnigen Verbotskultur verstanden werden, zumal dieses Verbot doch in Wirklichkeit etwas ganz anderes impliziert, nämlich die Erlaubnis für Tiere, zu leben, ohne das Recht der Menschen, gesund und lecker zu essen, einzuschränken?

Es ist offensichtlich, dass Veganer als eine kleine Minderheit nicht der fleischessenden Gesellschaft, den Konsum von Fleisch verbieten können, auch wenn Veganer davon überzeugt sind, dass es - außerhalb einer Notwehrsituation - Unrecht ist, Tiere zu töten, um sie zu konsumieren. Veganer können nicht verbieten, sondern können für den Fleischverzicht und eine ethisch verantwortbare vegane Lebensweise nur werben. Der Weg zum individuell praktizierten Veganismus geht dabei oftmals in Teilschritten über Fleischreduktion und Vegetarismus von statten. Hierzu steht aber weder die ursprüngliche Initiative noch der jetzige Kompromiss in Basel im Widerspruch. Eine Entscheidung von mehrheitlich fleischessenden Studierenden für einen Fleischverzicht in bestimmten Kontexten, wie dem der Uni-Mensa, ist nicht als Ausdruck von Engstirnigkeit und Dirigismus, sondern als Ausdruck von Einsicht und Engagement zu bewerten.Dies wird durch Michael Bahnerth, wie auch von vielen anderen Kritikern des Veganismus, verkannt, weil sie das Ausmaß der durch die Nutztierhaltung erzeugten Schäden übersehen und gleichzeitig die Möglichkeiten zu einer auch individuell glücklichen Lebensgestaltung ohne Umweltzerstörung und Leidzufügung unterschätzen.

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