Was unterscheidet Vegetarier, Flexitarier und Veganer
Als bewusste Omnivoren oder deutschsprachig besser bekannt als Flexitarier oder Teilzeitvegetarier bezeichnet sich eine Gruppe von Menschen, die sich mit den negativen Auswirkungen des Fleischkonsums auseinandergesetzt hat und dennoch weiterhin Fleisch isst. Bewusste Omnivoren oder Flexitarier lehnen dabei insbesondere den Konsum von Fleisch aus der Massentierhaltung ab. Sie legen bei der Fleischauswahl entsprechend Wert auf den Einkauf von Fleisch aus ökologischer und - so bezeichnen sie es jedenfalls - möglichst artgerechter Haltung.
Auf vegan.eu haben wir uns an anderer Stelle aus veganer Sichtweise kritisch mit den Grundannahmen des Flexitarismus auseinandergesetzt. Hier referieren wir lediglich einen aktuellen psychologischen Forschungsartikel, der sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, worin sich bewusste Omnivoren eigentlich von Menschen unterscheiden, die sich aus ethischen Gründen gegen den Fleischkonsum und für eine vegetarische oder vegane Lebensweise entschieden haben.
Hierzu wurden 109 Flexitarier, 70 Vegetarier und 9 vegan lebende Personen befragt. Bedauerlich ist, dass die Stichprobe der Veganer so klein war, so dass die Hauptvergleiche zwischen der gemeinsamen Gruppe vegetarisch/vegan und der Gruppe der bewussten Omnivoren erfolgten.
Mithilfe wissenschaftlich fundierter Fragebögen wurden folgende weitere Merkmale der Studienteilnehmer erhoben:
Empathie gegenüber Tieren, angenommene Ähnlichkeit zwischen Tier und Mensch im emotionalen Erleben, angenommene intellektuelle Ähnlichkeit zwischen Tier und Mensch, Postulierung von Tierrechten, Ekel gegenüber Fleisch, geschmacksbezogene Ablehnung von Fleisch, Tötungsverbot gegenüber Tieren, Rechtfertigungen von Fleischkonsum, allgemeiner Idealismus, Misanthropie (kritische Einstellungen zu Menschen (z.B. Ich bin stolz, ein Mensch zu sein als Ausdruck geringer Misanthropie) und Identifikation mit der eigenen Ernährungsweise.
In der Ergebnisauswertung kennzeichneten sich Flexitarier im Vergleich zu vegan/vegetarisch lebenden Personen durch eine geringere Empathie gegenüber Tieren, geringere Ähnlichkeitseinschätzungen von Tier und Mensch, einem geringerem Fokus auf Tierrechten, weniger Ekel vor Fleisch, weniger negative geschmackliche Einschätzungen von Fleisch, einer geringeren Ablehnung der Tötung von Tieren, weniger Idealismus, einer geringeren Identifikation mit der eigenen Ernährung sowie einer weniger kritischen Betrachtung menschlichen Verhaltens (geringere Misanthropie).
Bis auf die geringeren Ähnlichkeitseinschätzungen von Tier und Menschen erreichten alle diese Unterschiede die statistische Signifikanz. Wurden ausschließlich die Veganer zugrunde gelegt, erreichten aber auch die im Vergleich zu Flexitariern höheren Ähnlichkeitseinschätzungen von Tier und Mensch die statistische Signifikanz.
Der Vergleich der Veganer mit den Vegetariern zeigte zusätzlich, dass die Vegetarier bis auf Misanthropie, die bei Veganern geringer war, durchweg in ihren Merkmalsausprägungen zwischen Flexitariern und Veganern lagen. Vegan lebende Personen kennzeichneten sich also im Vergleich zu den Vegetariern durch höhere Empathie mit Tieren, höhere Ähnlichkeitseinschätzungen zwischen Tier und Mensch, einem stärkeren Fokus auf Tierrechten, der stärkeren Ablehnung der Tötung von Tieren, mehr Ekelerleben gegenüber Fleisch, stärkere auch geschmackliche Ablehnung von Fleisch sowie einem höheren allgemeinen Idealismus.
Insgesamt weisen die Befunde darauf hin, dass Veganer sich mehr um das Wohlergehen von Tieren, deren Schutz und deren Rechte sorgen als Flexitarier, wobei Veganer außerdem auch einen allgemein erhöhten Idealismus aufweisen. In ähnlicher Weise unterscheiden sich Vegetarier von Flexitariern, wobei die Stärke der Unterschiede aber geringer ausgeprägt ist als zwischen Veganern und Flexitariern.
Als Interpretation bietet sich an, dass Flexitarier ihren Fleischkonsum, trotz Auseinandersetzung mit der ethischen Problematik, offenbar dadurch aufrechterhalten können, dass sie Wohlergehen und Rechten von Tieren ein geringeres Gewicht zuweisen, weniger stark die Tötung von Tieren als ein Problem erachten und überhaupt weniger idealistisch eingestellt sind als Vegetarier und insbesondere Veganer.
Die Befunde stützen darüber hinaus die Annahme, dass es sich bei den Ernährungsformen des bewussten Omnivorismus, des Vegetarismus und des Veganismus um ein Kontinuum handelt, wobei die Studie allerdings leider keine „Normal-Fleischesser“ einbezog, so dass offen bleibt, ob diese sich signifikant von den Flexitariern unterscheiden würden.
Auch die Richtung der Kausalität bleibt offen. So ist es möglich und auch plausibel, dass Veganer sich deshalb für eine vegane Ernährung entscheiden, weil sie zum Zeitpunkt der Entscheidung mehr um Tiere besorgt, an deren Wohlergehen und Rechten interessiert und auch insgesamt idealistischer waren, weshalb sie zu der initialen Verzichtsleistung eher bereit gewesen sind. Ebenso ist es aber denkbar, dass die Erfahrung des weiteren eigenen Fleischkonsums erst dazu führt, dass bewusste Omnivoren an ihren tierbezogenen Einstellungen festhalten oder sogar negativ verändern, während die Erfahrung der veganen Ernährungsweise zu einer positiven Veränderung der Einstellungen führen mag. Auch bezüglich der Ekel- und Geschmacksbewertungen wäre eine derartige Kausalität durchaus plausibel, da die weitere Erfahrung des Fleischkonsums bei Flexitariern dazu führen könnte, dass sie weniger Ekel entwickeln und Fleisch entsprechend auch als besser im Geschmack bewerten als Veganer.
Aus psychologischer Sichtweise am wahrscheinlichsten ist, dass letztlich beide Kausalitätsrichtungen vorliegen, nämlich einerseits positive Einstellungen zu Tieren und ein hoher Idealismus die Wahl einer veganen Lebensweise fördern, andererseits aber die Wahl der veganen Lebensweise zu einer weiteren Vertiefung dieser positiven Einstellungen zu Tieren, des Idealismus wie auch der Ablehnung von Fleisch führt.
Auf jeden Fall weisen die Befunde darauf hin, dass Flexitariern tatsächlich die Tiere weniger am Herzen liegen als Veganern und sie sich auch insgesamt durch einen geringeren Idealismus sprich höheren Egoismus kennzeichnen. Vegetarier und Veganer haben demgegenüber mehr Gemeinsamkeiten, unterscheiden sich aber ebenfalls im Ausmaß der positiven Einstellungen zu Tieren und des Idealismus, die bei Veganern jeweils in höherer Ausprägung gegeben sind.