Grüner Plan für „artgerechte Tierhaltung“

Grüner Plan für „artgerechte Tierhaltung“

Die Grünen gehen in den Wahlkampf mit der Forderung, dass die Tierhaltung künftig auf der Verpackung gekennzeichnet werden soll. Eine 0 solle für die ökologische Tierhaltung stehen, eine 1 für eine Tierhaltung mit mehr Platz und dem Zugang ins Freie, eine 2 für mehr Platz und höhere Anforderungen an den Stall, eine 3 für den gesetzlichen Mindeststandard.

Wir wollen bei Fleisch und Milch eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einführen, so wie sie bei den Eiern heute schon gut funktioniert“, wird Katrin Göring-Eckardt, Kovorsitzende der Bundestagsfraktion, von der taz zitiert.

Genau hier liegt aber aus veganer und tierrechtlicher Sichtweise das Problem:

Den Verbrauchern würde auf der Packung suggeriert werden, dass eine artgerechte und tiergerechte Haltung möglich sei, dass es tierische Produkte gebe, die sie bedenkenlos kaufen können. „Null Probleme“ würde vermutlich die Assoziation bei den Käufern sein, wenn eine „0“ auf der Verpackung stünde.

Kein Tierleid und keine Umweltbelastung bei Bio-Produkten? Dies ist unrichtig. Tatsache ist, dass Tiere in der Bio-Haltung ein nicht tiergerechtes Leben führen und einen leidvollen Tod sterben. Eine Bio-Schlachtung gibt es übrigens nicht. Auch Tiere aus Bio-Haltung wurden immer wieder in Schlachthöfen getötet, bei denen es zu Skandalen wegen besonderer Exzesse kam. In Wirklichkeit ist der Schlachthof an sich bereits der größte Skandal, weil er die gnadenlose Instrumentalisierung leidensfähiger Wesen darstellt, die getötet werden, nur um an ihre Körper heranzukommen.

Genau so wie ihre anderen Artgenossinnen werden auch Bio-Kühe regelmäßig geschwängert, damit sie Milch geben. Auch bei Bio werden die männlichen Kinder der Kühe früher oder später geschlachtet und als Kalbfleisch verkauft. Auch Bio-Legehennen leben nur 1-2 Jahre, obwohl sie ein natürliches Alter von über 10 Jahren erreichen könnten. Auch Bio ist Massentierhaltung, denn tausende Vögel zusammen, hat mit dem natürlichen Leben der Hühner nicht das geringste zu tun.

Das Ei des „glücklichen Huhns“, welches nach Meinung von Katrin Göring-Eckardt ein so erfolgreiches Modell sei, ist tatsächlich lediglich Euphemismus und Täuschung. Glücklich sind die Produzenten, die verdienen, und die Konsumenten, die ihre Gewissen wirkungsvoll beruhigen können. Die Hühner, die nach 1–2 Jahren „geerntet“ werden – so heißt es, wenn panische Vögel in hohem Tempo ergriffen und in Kisten geworfen werden – gehören nicht zu den Gewinnern. Sie werden zum nächsten Schlachthof transportiert: wieder raus aus den Kisten, an den Füßen aufgehängt, schreiend durch ein Elektrobad gezogen, welches keineswegs alle betäubt, bevor ihnen die Kehle durchgeschnitten wird. Bilder einer typischen Hühnerschlachtung können hier angeschaut werden. Ob alle Verbraucher sich klarmachen würden, dass eben dieses Schicksal alle Tiere erlitten, egal ob ihre Körperteile in den Tiefkühlregalen der Supermärkte mit 0 oder 3 gekennzeichnet sind?

Interessanterweise wollen die Grünen keine Tierzahlen nennen, die eine Massentierhaltung von einer Nicht-Massentierhaltung unterscheiden soll. 10-20 Hühner wären hier sicherlich vernünftig, aber natürlich denken die Grünen nicht in diesen Dimensionen. Die tausenden Hühner, die in normalen Bio-Haltungen ihr kurzes Leben fristen, sollen dies fraglos auch unter den Grünen weiterhin tun.

Manche mögen meinen, die Kritik, die hier an der Forderung der Grünen geäußert wird, sei übertrieben und ungerecht. Immerhin wollten die Grünen überhaupt etwas tun, während die anderen Parteien nichts tun oder sich sogar am rechten Rand Parteien rumtreiben, wie die AfD,die das Jagdrecht bis hin zur brutalsten Fallenjagd liberalisieren und vor einer veganen Ernährung staatlich warnen lassen wollen.

Die Argumentation ist nachvollziehbar, aber sie überzeugt mich nicht. Jahrzehntelange Arbeit an der Verbesserung von Tierschutzbestimmungen ist völlig erfolglos geblieben, wenn es nicht an der Anzahl der Regeln, sondern am Gesamt-Tierleid gemessen wird. Grund ist, dass solche Regelungen, wie die von den Grünen nun für die Kennzeichnung vorgeschlagene Regel, vor allem der Gewissensbetäubung der Verbraucher dienen und damit letztlich die Interessen der Tierausbeutungsindustrie bedienen.

Die von den Grünen geforderte Regelung würde den Verbrauchern den irrigen Eindruck einer tierwürdigen und im positiven Sinnen humanen Nutztierhaltung vermitteln, so dass die Notwendigkeit für die vegane Lebensweise wegfiele. Wer Eier von glücklichen Hühnern essen kann, braucht den Eierkonsum nicht zu beenden. Wenn nun noch Milch von glücklichen Kühen und Fleisch von glücklichen Kühen, Schafen, Hühnern und Schweinen hinzukämen, entfielen aus subjektiver Sichtweise der getäuschten Verbraucher weitere Gründe für eine vegane Lebensweise.

Vegan ist das eigentliche Bio. Studien zeigen, dass die Nutztierhaltung auch in Bio-Form nicht nachhaltig ist und unsere Umwelt zerstört. Wie ihre Leidensgenossen aus konventioneller Haltung verbrauchen Tiere in Bio-Haltung bei weitem mehr Ernährungsressourcen als ihren Körpern und Körperflüssigkeiten wieder entnommen werden kann. Demgegenüber schneidet die vegane Ernährung in allen relevanten Vergleichsstudien umweltverträglicher ab als jede andere Form der Ernährung.

Bio ist richtig und wichtig, aber seine Zukunft muss bio-vegan sein, wenn Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Tierwohl und Mitmenschlichkeit das ausmachen sollen, wofür Bio steht.

Die Grünen könnten viel mehr für Tiere und für die Umwelt tun, wenn sie sich nicht für eine vernebelnde Kennzeichnung, sondern dafür einsetzen würden, dass in Deutschland ein Gesetz wie in Portugal verabschiedet werden würde, gemäß dem in allen öffentlichen Kantinen, vom Krankenhaus bis hin zum Gefängnis, gesundes veganes Essen angeboten werden muss. Ebenfalls könnte ein bundesweiter fleischlosen Montag in allen öffentlichen Räumen in der Bevölkerung mindestens das Bewusstsein dafür schärfen, dass Fleischkonsum nicht in Ordnung ist, auch wenn es aus veganer Sichtweise nicht weit genug geht.

Die Grünen könnten und müssten aber noch etwas tun, wenn sie Tierschutz und Mitmenschlichkeit wirklich vorantreiben wollen:

Sich von mächtigen Protagonisten trennen, die ihr politisches Amt nutzen, um für unerträgliche Tierqual und Menschenverachtung einzutreten. Dies betrifft beispielsweise den bündnisgrünen Oberbürgermeister Thübingens Boris Palmer, der jedenfalls für Versuchsaffen keine Gnade kennt. Mit Entschiedenheit verteidigte er nach meiner Meinung nur als grauenhaft zu beschreibende Affenversuche am Max-Planck-Institut in Tübingen. PETA schrieb zu diesem Vorfall:

Skandalöse Vorgänge am Max-Planck-Institut in Tübingen: Videoaufnahmen aus dem Max-Planck-Institut (MPI) für biologische Kybernetik zeigen verstörende Bilder von Affen in Versuchslaboren. Die schreienden Tiere versuchen verzweifelt, sich in ihren Schädel verschraubte Metallvorrichtungen aus dem Kopf zu reißen. Diese dienen dazu, sie in einem sogenannten Primatenstuhl bewegungsunfähig zu fixieren. Die Affen werden zudem durch tagelangen Flüssigkeitsentzug zur Mitarbeit an Experimenten gezwungen. Bürger, Medien und Politik reagieren mit Entsetzen auf die Bilder und Informationen, die das Leiden der Affen ungeschminkt zeigen. Das brisante Material entfacht erneut die Debatte um die Notwendigkeit und ethische Vertretbarkeit von Experimenten an nicht-menschlichen Primaten. Erstaunlich ist, dass sich der bündnisgrüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer in dieser Diskussion öffentlich gegen seine eigene Partei positioniert und sich für die entsetzenerregenden Tierversuche ausspricht. Seine Mitgliedschaft im Kuratorium des MPIs unterstreicht seine Haltung und wirft grundlegende Fragen auf. PETA verlangt Boris Palmers sofortigen Austritt aus dem Kuratorium des Max-Planck-Campus Tübingen. Dieser Forderung verleiht die Tierrechtsorganisation durch einen persönlichen Brief an den Oberbürgermeister Nachdruck.

Palmer unternahm nach Berichterstattung der Medien sogar explizite Provokationen gegenüber Tierschützern und versuchte sich nachfolgend medienwirksam als Opfer von Aggressionen von Tierschützern darzustellen.

Palmer ist nicht nur mit Empathielosigkeit im Fall der Affenversuche aufgefallen. Er fällt ebenfalls mit einer Argumentation gegenüber Flüchtlingen auf, die rechtspopulistischen und teilweise auch dezidiert rassistischen Positionen entspricht und bis hin zum geforderten Schusswaffeneinsatz an der Grenze gehen.

Mit Recht fordert die Grüne Jugend einen Parteiausschluss Palmers, der aber offenbar von der grünen Parteispitze nicht einmal erwogen wird. Dies gilt wohl umso mehr, als dass Palmer ein grüner Machtpolitiker, die sich der Unterstützung durch den grünen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs Kretschmann erfreut.

Palmer steht für Tierqual und Menschenverachtung. Dass die Grünen so eine Person als Mitglied der Partei akzeptieren, ihm Machtpositionen zukommen lassen und für ihn Wahlkampf machen, reduziert die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit ihres Einsatzes für Tiere und Mitmenschlichkeit.

Leider bleibt es dabei, dass die vegane Sache politisch noch kaum eine sichtbare Lobby hat. Auch aus der neuen Forderung der Grünen nach einer Kennzeichnung tierischer Lebensmittel als 0 (Bio) bis 3 (gesetzliche Mindestanforderungen) wird dieser Sachverhalt letztlich erneut deutlich.

Verfasser: Guido F. Gebauer

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