Kinder, die sich entscheiden, kein Fleisch mehr zu essen
Es ist ein bekanntes Phänomen, dass manche Kinder im jungen Alter, die in fleischessenden Familien aufwachsen, von sich aus dennoch die Entscheidung treffen, kein Fleisch mehr essen zu wollen. Das Phänomen diese aus eigener Initiative vegetarisch lebenden Kinder untersuchten die Psychologen Husser [&] Harris (2009), indem sie SOLCHE Kinder mit aus familienbezogenen Gründen vegetarisch lebenden Kindern und fleischessenden Kindern aus fleischessenden Familien verglichen.
(Die aus familienbezogenen Gründen vegetarisch lebenden Kindern wuchsen in vegetarischen Familien auf und ernährten sich daher auch vegetarisch. Ebenso wie fleischessende Eltern die Ernährung ihrer Kinder durch die Gabe von Fleisch lenken, lenken im Regelfall auch vegetarische Eltern das Ernährungsverhalten ihrer Kinder, indem sie diese vegetarisch ernähren).
In die Untersuchung wurden 48 Kinder im Alter von 6-10 Jahren einbezogen, die sich in die drei gleichstarken Gruppen unterteilten: (1) Vegetarisch lebende Kinder in fleischessenden Familien, (2) vegetarisch lebende Kinder in vegetarischen Familien, sowie (3) fleischessende Kinder in fleischessenden Familien.
Mit allen Kindern wurde ein ausführliches Interview über ihre Ernährungsgewohnheiten durchgeführt, wobei insbesondere auch nach Nahrungsmitteln gefragt wurde, die sie mochten oder nicht mochten. In allen drei Gruppen benannte jedes Kind im Verlauf des Interviews ein Fleischprodukt, welches es nicht mochte. Sobald dies der Fall war, wurden die Kinder nach ihren Gründen gefragt, warum sie das jeweilige Fleischprodukt nicht mochten. Die Kinder konnten die Gründe in eigenen Worten benennen. Nachfolgend wurden die angegebenen Gründe in eine der folgenden fünf Kategorien zugewiesen: Moralische Gründe (Leid von Tieren),Religiöse Gründe, Gewohnheitsgründe (Meine Familie isst kein Fleisch), Geschmackgründe und Gesundheitsgründe. Dabei war es auch möglich, dass mehr als einer dieser Gründe benannt wurde, so dass dann eine mehrfache Zuordnung stattfand.
In der Auswertung zeigte sich, dass von 16 in fleischessenden Familien lebenden vegetarischen Kindern 16 Kinder auf das Wohlergehen der Tiere bezogene moralische Gründe für den Fleischverzicht angaben. Zusätzlich benannten drei Kinder geschmackliche Gründe und ein Kind gab Gesundheitsgründe an. Bei den in vegetarischen Familien lebenden vegetarischen Kindern gaben demgegenüber nur sieben Kinder moralische Gründe an, fünf Kinder benannten demgegenüber auf die Familie bezogene Gewohnheitsgründe, drei Kinder gaben religiöse Gründe an und ein Kind benannte gesundheitliche Argumente. Ein ganz anderes Ergebnis zeigte sich bei den fleischessenden Kindern aus fleischessenden Familien, von denen 13 geschmackliche Gründe und fünf gesundheitliche Gründe angaben, während kein Kind moralische, religiöse oder gewohnheitsbezogene Gründe benannte.
Aus der Untersuchung wird deutlich, dass Kinder bereits in jungen Jahren dazu in der Lage sind, das Wohlergehen der Tiere bei der Wahl ihrer Ernährung zu berücksichtigen und zwar im Sinne einer moralischen Entscheidung.Besonders häufig scheint die moralische Komponente bei der Entscheidung für eine fleischfreie Ernährung im jungen Kindesalter dann zu überwiegen, wenn die vegetarische Ernährung nicht lediglich durch selbst vegetarisch lebende Eltern angeleitet wurde, sondern wenn sich Kinder in fleischessenden Familien entschieden haben, mit der dort praktizierten familiären Praxis zu brechen und sich vegetarisch zu ernähren. Aber auch fast die Hälfte der in vegetarisch lebenden Familien aufwachsenden vegetarischen Kinder benannte moralische Gründe für den Fleischverzicht, was wohl mit einer stattgefundenen Normenvermittlung zu erklären ist. Demgegenüber scheinen fleischessendeKinder aus fleischessenden Familien im Regelfall keine moralische Dimension bei der Frage des Fleischverzichtes zu sehen, sondern essen lediglich aus geschmacklichen oder gesundheitlichen Gründen einzelne Fleischprodukte nicht.
Es ist bemerkenswert, dass es bereits Kinder im sehr jungen Alter von 6 Jahren Kinder gibt, die - vermutlich vermittelt über positive Emotionen gegenüber Tieren und Mitleid - sich dafür entscheiden, keine Tiere mehr essen zu wollen.Tolle Kinder, können wir da nur sagen!
P.S.:Sollte Kritik an den Kindern geübt werden, dass sie sich nicht vegan, sondern lediglich vegetarisch ernähren, wäre dies nach unserer Meinung völlig unangebracht. Ein in einer fleischessenden Familie vegetarisch lebendes Kind erbringt bereits eine enorme moralische, disziplinbezogene und praktische Leistung, die uneingeschränkt zu würdigen ist. Es wäre absurd, von diesen Kindern zu erwarten, vegan zu leben. Dass eine Reihe von ihnen dies im späteren Alter als Jugendliche oder Erwachsene von sich aus tun wird, ist allerdings zu vermuten.
Hussar, K. M., [&] Harris, P. L. (2010) Children who choose not to eat meat: A study of early moral decision-making. Social Development, 19 (3): 627-641.