Manfred Klimeks Lyrik auf das Schlachten
„Randvoll mit Fett ist das Wollschwein. Wer einmal selbst eins getötet hat, ändert seine Haltung zum Fleischessen. .. Mit abgewandtem Blick stemmt er einen abgegriffenen Käfig aus dem Morast, schwingt ihn in die Höhe, geht vier entschlossene Schritte in die Herde und stülpt das Gitter über drei Schweine. Zwei kleine und ein großes. Das große muss dran glauben. Wiesner setzt seinen handlichen Bolzenschussapparat an und pfeffert ohne Zögern dem Tier ein Stück Metall ins Hirn. Das Schwein fällt um, Blut tröpfelt aus der Schnauze. Jetzt geht es ruckzuck: Wiesner zieht sein Messer aus dem Gürtel und sticht in die Halsschlagader – der Tod. Rot quillt es aus dem Körper und Wiesner pumpt mit dem rechten Vorderlauf auch noch die letzten Tropfen aus dem kaum noch schlagenden Herzen“.
Mit Begeisterung schreibt Manfred Klimek im Zeitmagazin über das Schlachten. Er schildert das Schlachten eines Tieres als eine Art Happening, als eine ethische Tat, als Ausdruck einer besonderen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Er wirbt damit gleichzeitig für das Geschäftsmodell des Landwirtes Christoph Wiesner, der kommerzielle Schlachtungen als Hausschlachtungen tarnt.
Bei Hausschlachtungen gelten noch einmal wesentlich weniger enge Vorschriften als bei Schlachtungen in Schlachthäusern. Die minimale Kontrolle, die im Schlachthof noch besteht, ist bei Hausschlachtungen nicht gegeben. Manfred Klimek wendet sich gegen das Schlachten im industriellen Akkord und sieht die Hausschlachtungen des Christoph Wiesner als Lösung.
Ein genauerer Blick zeigt, dass die Begeisterung auf einer Verkennung und die vermeintliche Ethik auf einer Verwechslung mit einer Ästhetik von Blut und Boden beruht.
Fehlbetäubungsrisiko erhöht
Immer wieder hat sich gezeigt, dass der menschliche Faktor der größte Fehlerfaktor bei nahezu allen Handlungsweisen ist. Dies gilt für die Flugsicherheit ebenso wie für Fehlbetäubungsraten bei der Schlachtung. Je stärker die korrekte Betäubung von der Zielgenauigkeit und Präzision menschlichen Handelns abhängt, desto häufiger treten Fehlbetäubungen auf, bei denen Tiere bei vollem Bewusstsein geschlachtet werden. Studien belegen eine eindeutige Abhängigkeit der Fehlbetäubungsraten von der Größe von Schlachteinrichtungen und der Verfügbarkeit einer maschinellen Führung des Schlachtvorganges. Je weniger ein Schlachtvorgang maschinisiert ist, desto öfter treten wegen menschlichem Versagen Fehlbetäubungsraten auf.
Die Hausschlachtungen des Christoph Wiesner sind darüber hinaus in besonderer Art und Weise darauf angelegt, das Risiko von Fehlbetäubungen zu erhöhen. Christoph Wiesner überlässt seinen Kunden - Menschen, die über keinerlei Erfahrung außer der Anleitungen durch ihn verfügen - das Schlachten seiner Tiere. Niemals können Anfänger auch nur annähernd so präzise sein wie Experten. Erhöhtes Tierleid ist so vorprogrammiert.
Komplette Degradierung des Tieres
Es geht Manfred Klimek um eine Tier-Mensch-Beziehung. Indem Menschen Tiere töten, bauen sie zu ihnen, so meint er offenbar, eine besonders wertvolle Beziehung auf. Aber bereits seine eigene Sprache belegt das Gegenteil: „Randvoll mit Fett ist das Wollschwein“ - Ist eine stärkere Reduktion des Wesens und des Wertes eines Tieres auf eine profane Substanz, wie sein Körperfett, vorstellbar? Würden wir von einer besonderen Beziehung zwischen Menschen sprechen, wenn sich diese Beziehung auf den gierigen Blick auf das Fett oder Blut der Mitmenschen bezöge? Die Tier-Mensch-Beziehung, die Manfred Klimek in seinem Artikel beschwört, entspricht in Wirklichkeit der Beziehung zwischen Gewalttäter und Gewaltopfer, fraglos eine besondere Beziehung, aber keine, die typischerweise für wünschenswert erachtet werden würde.
Blut und Boden Ästhetik statt Ethik
Es scheint Christoph Wiesner, seinen Kunden und wohl auch Manfred Klimek um Ethik gehen. Dies mag ihrer subjektiven Sichtweise entsprechen. Liest man aber den Artikel, findet sich wenig zu Ethik, viel aber zu Ästhetik und zwar zu einer Ästhetik des Schlachtens, Zerstückelns und Blutvergießens. Eine solche Faszination der Hausschlachtung erlebte übrigens auch einstmals das Kind Achim Meiwes. Die Faszination ließ ihn nicht los und später übertrug er sie vom Tier auf das menschliche Subjekt. Auch er gab an, eine besondere Beziehung angestrebt zu haben, als er sein menschliches Opfer schlachtete und verspeiste. Zwischen den Zeilen wird aus dem Artikel von Manfred Klimek deutlich, wie die eigene Faszination für das Töten mit dem Begriff der Ethik fehlgedäutet wird.
Einseitige Naturauslegung als Gewaltlegitimation
„Nach zwei Minuten wagt sich ein schwarzer Eber an den Ort des Sterbens zurück und leckt das Blut vom Boden auf. Nun kommen auch die anderen Schweine. Eben noch hat sich der beseelte Körper mit ihnen um das Futter gestritten, jetzt, seelenlos, ist er selbst Futter. Fressen und gefressen werden. Gesetz der Natur.“ Was folgt aber tatsächlich für den Menschen aus dem von Manfred Klimek hier beschriebenen Kannibalismus oder genauer Vampirismus bei dem Schwein, welches das Blut des anderen Schweines leckte? Wenn dies Verhalten des Schweines überhaupt eine analoge Aussagekraft für den Menschen haben sollte, würde hieraus folgen, wir sollten das Blut getöteter Menschen lecken! Manfred Klimek unterliegt dem Irrtum, zu verkennen, dass Menschen die Entscheidung treffen können, von Gewalt Abstand zu nehmen. In der Natur gibt es Tiere, die töten und Fleisch essen. Es gibt ebenfalls Tiere, die nicht töten und Pflanzen essen. Der Mensch ist das Tier, welches entschieden kann, ob er sich gegenüber den anderen Tieren und den menschlichen Artgenossen als Raubtier oder als friedfertig definiert und verhält.
Ausblendung der tatsächlichen Lösung
Die Hausschlachtungen des Christoph Wiesner sollen sich, so ihr Eigenanspruch, gegen die industrielle Tiertötung wenden. Wer sich aber gegen die industrielle Tiertötung wenden möchte, braucht weder zu schlachten noch auszuweiden. Der Mensch kann sehr gesund und gut vegan leben. Er benötigt keine tierische Nahrung. Tatsächlich ist auch die tierische Nahrung, die Christoph Wiesner seinen Kunden zur Verfügung stellt, Ressourcenvergeudung in einer ressourcenknappen Welt. Für das Fleisch und Fett, welches Christoph Wiesner seinen Tieren entreißt, mussten diese zuvor bei weitem mehr pflanzliche Nahrung verzehren und bei weitem mehr Energie aufwenden als ihnen noch nach dem Tod entnommen werden konnte – dies in einer Welt, in der zwei Milliarden Menschen hungern. Und wenn es „nur“ zwei Schweine wären, die pro Familie im Jahr geschlachtet würden, in Wirklichkeit bräuchte kein einziges Tier für die Ernährung dieser Familie geopfert zu werden und ihre Kinder könnten statt Schlachten und Ausnehmen einen friedfertigen Umgang mit Mensch, Umwelt und Tier erlernen. Sie könntene einen Umgang erlernen, der nicht auf der Faszination des Tötens, sondern auf Mitgefühl beruht.
In der Gesamtbewertung handelt es sich bei den „Hausschlachtungen“ des Christoph Wiesner um ein Geschäftsmodell, welches Menschen vorgaukelt, ethisch zu handeln, während sie tatsächlich ihre Faszination für das Töten befriedigen und nähren. Manfred Klimek ist dieser Täuschung offenbar erlegen. Wer aber die Umwelt wirklich schonen, die Tiere achten und ein friedliches Miteinander der Menschen aufbauen möchte, der benötigt keine Schulung im Töten, sondern in Empathie und Mitgefühl. Die Lösung der ethischen Problematik der industriellen Schlachtung ist nicht die Hausschlachtung, sondern die vegane Lebensweise.